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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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hält sich im Rahmen, obwohl sie natürlich höher als in einer Pension ist. Bleiben Sie lange?«
    »Einen Monat.«
    »Du lieber Himmel! Bloß?!«
    »Je nachdem, wie schnell ich vorankomme. Vielleicht muss ich länger bleiben.«
    »Bestimmt werden Sie länger bleiben«, versicherte Amad. »Offenbar haben Sie keine Vorstellung, wohin Sie gekommen sind. Sie ahnen nicht, wie lustig es bei uns ist und dass man hier über nichts nachzudenken braucht.«
    Wir tranken aus, erhoben uns und gingen in der heißen Sonne hinüber zum Parkplatz. Amad ging schnell und watschelte ein bisschen. Aus dem Zollpavillon quoll eine neue Portion Touristen.
    »Wollen Sie wirklich?«, fragte Amad plötzlich.
    »Ich will«, antwortete ich. Was hätte ich sonst sagen sollen? Vierzig Jahre war ich nun auf der Welt, hatte aber noch immer nicht gelernt, mich solch einer unangenehmen Frage höflich zu entziehen.
    »Sie werden hier keine Zeile schreiben«, warnte Amad. »Es ist schwer, bei uns zu schreiben.«
    »Schreiben ist immer schwer«, erwiderte ich. Gut, dass ich kein Schriftsteller war.
    »Das glaube ich gern. Aber bei uns ist es geradezu unmöglich. Zumindest für einen Fremden.«
    »Sie erschrecken mich.«
    »Haben Sie keine Angst. Sie werden einfach keine Lust haben, hier zu arbeiten. Es wird Sie nicht an der Schreibmaschine halten und Ihnen leidtun dort zu sitzen. Wissen Sie, was Lebensfreude ist?«
    »Hm …«
    »Sie wissen gar nichts, Iwan. Vorläufig wissen Sie noch gar nichts darüber. Ihnen steht bevor, die zwölf Kreise des Paradieses zu durchlaufen. Es ist sicher komisch, aber ich beneide Sie …«
    Wir blieben vor einem langen offenen Wagen stehen. Amad warf den Koffer auf den Rücksitz und machte mir die Tür auf.
    »Bitte«, sagte er.
    »Sie haben sie also schon durchlaufen?«, erkundigte ich mich, als ich einstieg.
    Er setzte sich ans Lenkrad und startete. »Was?«
    »Die zwölf Kreise des Paradieses.«
    »Ich habe mir längst meinen Lieblingskreis ausgesucht, Iwan«, sagte Amad. Geräuschlos rollte der Wagen über den Platz. »Die übrigen existieren nicht mehr für mich. Leider. Das ist wie das Alter. Mit all seinen Vor- und Nachteilen.«
    Das Auto sauste durch den Park und schoss dann eine schnurgerade schattige Straße entlang. Interessiert schaute ich mich um, doch ich erkannte nichts wieder. Es war dumm von mir zu hoffen, irgendetwas Bekanntes zu entdecken … Damals waren wir in der Nacht an Land gesetzt worden, im Regen; siebentausend erschöpfte Badegäste standen auf den Piers und starrten auf das ausbrennende Passagierschiff. Die Stadt sahen wir nicht; dort, wo sie sein musste, war nichts als nasse schwarze Leere, in der es rot aufblitzte. Es krachte, donnerte und knirschte ohrenbetäubend. »Bei dieser Dunkelheit knallen sie uns ab wie Kaninchen«, sagte Robert, und ich jagte ihn auf die Fähre zurück, um den Panzerspähwagen herunterzuholen. Das Fallreep brach, und der Panzerspähwagen fiel ins Wasser. Robert musste von Pek herausgezogen werden; blau vor Kälte kam er zu mir und zischte zähneklappernd: »Meine Rede, dass es zu dunkel ist …«
    Amad sagte plötzlich: »Als ich ein Junge war, wohnte ich am Hafen, und wir kamen her, um die Werkskinder zu verhauen. Von denen hatten viele Schlagringe, und mir schlugen sie damit die Nase ein. Mein halbes Leben lief ich mit einer schiefen Nase herum, bis man sie mir im vorigen Jahr richtete … Als Junge habe ich mich gern gerauft. Ich hatte ein Stück Bleirohr und musste einmal sechs Monate absitzen. Geholfen hat es nicht.« Er verstummte und grinste.
    Ich wartete eine Weile und sagte: »Ein gutes Bleirohr ist nicht mehr zu bekommen. Jetzt sind Gummiknüppel modern – die kauft man von Polizisten.«
    »Richtig«, sagte Amad. »Oder man besorgt sich Hanteln, sägt eine Kugel ab und benutzt die. Aber die Jugend von heute ist ganz anders. Auf so etwas steht jetzt Verbannung.«
    »Stimmt«, sagte ich. »Und wofür haben Sie sich als Junge noch interessiert?«
    »Und Sie?«
    »Ich wollte Sternenfahrer werden und habe Überlastung trainiert. Und dann haben wir noch ›Wer taucht tiefer‹ gespielt.«
    »Wir auch«, sagte Amad. »Auf zehn Meter nach Maschinenpistolen und Whisky. Dort hinter den Piers lagen sie kistenweise. Mir blutete vom Tauchen sogar die Nase. Als dann der Aufstand losging, fanden wir Leichen mit Eisenbahnschienen am Hals. Da hörten wir auf.«
    »Kein angenehmer Anblick, eine Unterwasserleiche«, sagte ich. »Besonders bei Strömung.«
    Amad

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