Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
Station und ärgerte sich, dass ihm jetzt ausgerechnet so etwas einfiel. War das nicht völlig gleichgültig? Jedenfalls würde die »Tachmasib« vorläufig nicht wieder starten können.
»Die Hühnersuppe kommt uns ziemlich teuer zu stehen«, sagte Onkel Walnoga.
»Hühnersuppe«, brummte der Direktor. »Lassen wir das, Walnoga. Denken Sie jetzt nicht darüber nach! Was kümmert uns jetzt Hühnersuppe?«
»Immerhin brauchen die Jungs ordentliche Verpflegung«, entgegnete Walnoga.
Das Raumschiff sank auf die Ebene und tauchte im Schatten unter. Jetzt erkannte man nur noch einen matten grünlichen Schimmer an den Titanbordwänden. Dann flammten Scheinwerfer auf, und man sah kleine, dunkle Gestalten hin und her laufen. Der zottige Buckel des Jupiters verschwand hinter den Felsen, und die Felsen, unversehens schwarz, schienen zu wachsen. Flüchtig leuchtete hier und da eine Felsenschlucht auf und wurden die Gitterkonstruktionen der Antennen sichtbar.
In der Jackentasche des Direktors summte leise das Radiofon. Er zog das glatte handliche Gehäuse heraus und drückte auf den Empfangsknopf. »Ich höre.«
Kreuzfidel und ohne jeden Respekt sprudelte es aus dem diensthabenden Dispatcher mit heller Stimme heraus: »Genosse Direktor, Kommandant Bykow ist mit seiner Besatzung und den Passagieren in der Station eingetroffen und erwartet Sie in Ihrem Zimmer!«
»Ich komme«, erwiderte der Direktor.
Gemeinsam mit Onkel Walnoga fuhr er mit dem Lift hinunter und begab sich in sein Büro. Die Tür stand weit offen. Im Zimmer drängten sich viele Menschen, und alle redeten und lachten laut. Aus dem Stimmengewirr hörte der Direktor schon von Weitem den freudigen Ausruf: »Wie ist Lebben – gu-ud? Wie geht euch, Jungen, gu-ud?«
Der Direktor zögerte einzutreten, verharrte sekundenlang auf der Schwelle und sah sich unter den Ankömmlingen suchend um. Heiß spürte er Walnogas Atem im Nacken und ahnte, dass der Alte über das ganze Gesicht strahlte. Sie entdeckten Mollard; die Haare noch nass vom Duschen, gestikulierte er wild mit den Händen und lachte immer wieder laut auf. Alle Mädchen der Amalthea, Sojka, Galina, Nadenka, Jane und Juriko, umringten ihn und stimmten in sein Gelächter ein. Schon immer hatte Mollard es verstanden, die Mädchen um sich zu scharen. Dann sah der Direktor Jurkowski, genauer gesagt, seinen Kopf, der alle überragte, und – auf seiner Schulter – ein furchterregendes Ungeheuer. Die Bestie drehte die Schnauze hin und her und gähnte von Zeit zu Zeit schrecklich. Waretschka wurde am Schwanz gezogen. Dauge konnte der Direktor nicht entdecken, dafür hörte man ihn aber nicht weniger als Mollard; er jammerte: »Doch nicht alle auf einmal! Hört auf, Leute! Oh, oje!« Ein wenig abseits stand ein großer, kräftiger Mann, den er noch nicht kannte; er war gut aussehend, wirkte neben den anderen, die von der Sonne gebräunt waren, aber ein wenig blass. Mit ihm unterhielten sich lebhaft mehrere Raumpiloten der Amalthea. Der Steuermann, Michail Antonowitsch Krutikow, saß in einem Sessel vor dem Schreibtisch des Direktors. Er erzählte gerade etwas und schlug dabei mehrmals die Hände zusammen und betupfte sich verstohlen mit einem zusammengeknüllten Taschentuch die Augen.
Den Kommandanten erkannte der Direktor zuletzt. Bykow war weiß, beinahe bläulich im Gesicht, und sein Haar wirkte ganz kupferfarben; unter seinen Augen hingen, wie immer nach langen, schweren Überbelastungen, blaue Säcke. Er redete so leise, dass der Direktor nichts verstehen konnte; er bemerkte nur, dass Bykow sehr langsam sprach und die Lippen mühsam bewegte. Neben Bykow standen die Leiter der Abteilungen und der Chef des Raketenstartplatzes; es war die stillste Gruppe im Raum. Schließlich hob Bykow den Kopf und blickte den Direktor an. Er stand auf, und durch den Raum ging gedämpftes Flüstern. Alle verstummten.
Sie gingen aufeinander zu, wobei die Magnetschuhe laut auf den metallischen Fußboden donnerten. Mitten im Zimmer gaben sie einander die Hand und verharrten eine Weile schweigend. Dann trat Bykow einen Schritt zurück und meldete: »Genosse Cungreen, Raumschiff ›Tachmasib‹ mit Fracht gelandet.«
DIE GIERIGEN DINGE DES JAHRHUNDERTS
Es gibt nur ein Problem in der Welt,
ein einziges – den Menschen
geistigen Inhalt wiederzugeben, geistige Sorgen.
Antoine de Saint-Exupéry
1
Der Zöllner hatte ein glattes, rundes Gesicht, das Herzenswärme und Güte ausstrahlte. Er war ehrerbietig freundlich und voller
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