Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
Vom Netzwerk:
fernhielt, die es reichlich gab, von den Turnhallen, die in dieser Stadt zur Verfügung standen, oder von ganz normalen Stereovisoren, und was sie mit einer Zigarette zwischen den Zähnen und einem Transistor im Ohr auf die abendlichen Straßen trieb – nur um da zu stehen, zu spucken (möglichst weit), grölend zu lachen (möglichst abstoßend) und nichts zu tun. Offenbar ist mit fünfzehn Jahren von allem, was die Welt bietet, nur eines attraktiv: die eigene Wichtigkeit zu spüren, in der Lage zu sein, andere zu begeistern oder zumindest aufzufallen. Ansonsten finden sie alles unerträglich öde und langweilig, unter anderem – vielleicht auch ganz besonders – den Weg, den die müde, gereizte Welt der Erwachsenen vorschlägt, um Gewünschtes zu erreichen.
    »Hier wohnt der alte Ruen«, bemerkte Wusi. »Er hat jeden Abend eine andere. Der alte Bock hat es geschafft, dass sie von selbst zu ihm kommen. Während des Aufstands wurde ihm ein Bein weggeschossen … Aha, bei ihm brennt kein Licht, also hören sie Musik. Und dabei ist er hässlich wie die Nacht!«
    »Glücklich ist, wer nur ein Bein hat«, sagte ich zerstreut.
    Sie kicherte und fuhr fort: »Und hier wohnt Sus. Er ist Fischer. Das ist ein Kerl!«
    »Fischer?«, fragte ich. »Und was macht der Fischer Sus so?«
    »Er fischt. Was machen Fischer denn? Sie fischen! Oder fragen Sie, wo er arbeitet?«
    »Nein, ich frage, wo er fischt.«
    »In der Metro …« Sie stockte. »Hören Sie, sind Sie vielleicht selbst ein Fischer?«
    »Ich? Warum – merkt man das?«
    »Sie haben so etwas an sich, das habe ich gleich gemerkt. Die Bienchen kennen wir, die in den Rücken stechen.«
    »Wirklich?«, fragte ich.
    Sie fasste mich unter. »Erzählen Sie«, sagte sie schmeichelnd. »Ich hatte noch nie einen Fischer unter meinen Bekannten. Sie erzählen mir doch etwas?«
    »Selbstverständlich. Vom Piloten und der Kuh?«
    Sie zupfte mich am Arm. »Nein, wirklich …«
    »Ein heißer Abend ist es«, sagte ich. »Gut, dass Sie mir die Jacke ausgeredet haben.«
    »Es wissen sowieso alle. Sus erzählt davon, und andere auch.«
    »So?«, fragte ich interessiert. »Und was erzählt Sus?«
    Sie ließ meinen Arm los. »Ich bin nicht dabei gewesen. Ich hab’s von den Mädchen.«
    »Und was erzählen die Mädchen?«
    »Nun … alles Mögliche … Vielleicht lügen sie auch. Vielleicht hat Sus gar nichts damit zu tun …«
    »Hm«, sagte ich.
    »Denk nicht schlecht von Sus, er ist ein guter Junge und sehr verschwiegen.«
    »Weswegen sollte ich denn von Sus schlecht denken?«, beruhigte ich sie. »Ich habe ihn ja noch nie zu Gesicht bekommen!«
    Erneut fasste sie mich unter und meinte begeistert, wir wollten nun trinken.
    »Höchste Zeit, dass du mit mir anstößt«, sagte sie.
    Sie war also schon per Du mit mir. Wir bogen um die Ecke und kamen auf die Magistrale. Hier war es heller als tagsüber. Die Lampen strahlten, die Wände leuchteten, bunte Lichter erhellten die Schaufenster. Wahrscheinlich war das einer der Kreise von Amads Paradies. Doch ich hatte mir alles anders vorgestellt. Ich hatte laute Orchester erwartet, sich verrenkende Paare, halbnackte und nackte Menschen. Stattdessen war es ziemlich ruhig. Die vielen Leute, die unterwegs waren, schienen mir allesamt betrunken, aber sie waren tadellos und abwechslungsreich gekleidet und ausnahmslos fröhlich. Fast alle rauchten. Kein Lüftchen regte sich, und die graublauen Tabakrauchschwaden waberten wie in einem vollgequalmten Zimmer um die Lampen und Laternen. Wusi zerrte mich in ein Lokal, entdeckte sogleich Bekannte und empfahl sich mit dem Versprechen, später zurückzukommen. Das Lokal war hoffnungslos überfüllt. Ich wurde zur Theke gedrängt, und ehe ich mich’s versah, hatte ich schon einen Schnaps getrunken. Ein kaffeebrauner Kerl mit gelben Augäpfeln grölte mir ins Gesicht: »Ruen hat sein Bein verloren, nicht? Brosch ist Artik geworden und zu nichts mehr zu gebrauchen. Das sind schon drei, oder? Und rechts von ihnen steht keiner; da ist bloß Finni, rechts von ihnen, aber das ist schlimmer als keiner, ein Kellner – fertig. Nicht?«
    »Was trinken Sie?«, fragte ich.
    »Ich trinke nie«, antwortete der Kaffeebraune würdevoll, dessen Atem nach Fusel roch. »Ich habe die Gelbsucht. Schon mal von der gehört?«
    Hinter mir kippte jemand vom Hocker. Bald verebbte der Lärm, bald schwoll er an. Der Kaffeebraune erzählte röhrend und mit sich überschlagender Stimme die Geschichte von irgendeinem Kerl, der bei der

Weitere Kostenlose Bücher