Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
alles.«
»Wälzer!« Sie lachte auf. »Wälzer … Schauen Sie mal, was ich kann!« Sie warf den Kopf zurück und blies zwei dicke Rauchschwaden aus den Nasenlöchern. »Gleich beim zweiten Mal hat’s geklappt. Prima, was?«
»Sie sind außerordentlich begabt!«, bemerkte ich.
»Spotten Sie nicht, versuchen Sie es selber. Eine Dame hat mir das heute im Salon beigebracht. Hat mich allerdings ganz vollgesabbert, die blöde Kuh. Wollen Sie’s mal versuchen?«
»Wieso hat sie Sie vollgesabbert?«
»Wer?«
»Die Kuh.«
»Die war nicht ganz normal. Vielleicht auch so ein Trauerkloß. Wie heißen Sie doch gleich?«
»Iwan.«
»Ulkiger Name. Erinnern Sie mich später noch mal … Tunguse sind Sie nicht?«
»Ich denke, nein.«
»Oh … Und ich habe überall herumerzählt, Sie wären Tunguse. Schade. Hören Sie, warum trinken wir eigentlich nichts?«
»Das lässt sich ändern.«
»Ich muss mir heute einen Rausch antrinken, um die sabbernde Kuh zu vergessen.«
Sie lief in den Salon und kehrte mit einem Tablett zurück. Wir tranken einen Brandy, schauten einander an, wussten nicht, was wir sagen sollten, und tranken erneut einen Brandy. Ich fühlte mich irgendwie gehemmt. Ich weiß nicht warum, aber sie gefiel mir. Ich glaubte, an ihr etwas zu finden, ohne genau zu wissen, was es war. Etwas unterschied sie von den anderen langbeinigen, glatthäutigen Schönheiten, die nur fürs Bett taugten. Und auch sie schien an mir etwas zu finden.
»Schönes Wetter heute«, sagte sie und wandte ihren Blick ab.
»Ein bisschen zu heiß«, bemerkte ich.
Sie trank einen Schluck, ich ebenfalls. Das Schweigen dauerte an.
»Was tun Sie am liebsten?«, fragte sie.
»Kommt darauf an, und Sie?«
»Kommt auch darauf an. Im Allgemeinen mag ich es, wenn es lustig ist und man an nichts denken muss.«
»Ich auch«, sagte ich. »Zumindest jetzt.«
Sie lebte sichtlich auf. Und ich begriff plötzlich, was los war: Ich hatte den ganzen Tag keinen einzigen Menschen getroffen, der mir wirklich sympathisch gewesen wäre, und das reichte mir allmählich. Sie hatte gar nichts Besonderes an sich …
»Gehen wir irgendwohin«, schlug sie vor.
»Meinetwegen«, willigte ich ein, obwohl ich nur ein bisschen im Kühlen sitzen wollte.
»Große Lust scheinen Sie nicht zu haben«, sagte sie.
»Offen gestanden, würde ich es vorziehen, noch ein Weilchen sitzen zu bleiben.«
»Dann sorgen Sie dafür, dass es lustig ist.«
Ich überlegte und erzählte den Witz von dem Handlungsreisenden auf dem oberen Schlafwagenplatz. Er gefiel ihr, obwohl sie die Pointe offenbar gar nicht verstanden hatte. Ich stellte die Sache richtig und erzählte dann den Witz von dem Präsidenten und der alten Jungfer. Vor Lachen strampelte sie mit ihren wundervollen langen Beinen. Ich kippte einen Brandy und erzählte den Witz von der Witwe, bei der Pilze an den Wänden wuchsen. Sie rutschte auf den Fußboden und hätte beinahe das Tablett mit heruntergerissen. Ich fasste sie unter den Achseln, hob sie in den Sessel und gab die Geschichte von dem betrunkenen Interplanetarier und dem Collegemädchen zum Besten. Da stürzte Mutter Waina herein und fragte erschrocken, was mit Wusi los sei, ob ich sie etwa kitzele. Ich schenkte Waina Brandy ein und erzählte ihr den Witz von dem Iren, der gern Gärtner geworden wäre. Wusi konnte nicht mehr; Mutter Waina hingegen lächelte wehmütig und meinte, dass auch Generaloberst Tuur diese Geschichte oft zum Besten gegeben habe, wenn er guter Laune gewesen war, nur war es bei ihm wohl kein Ire, sondern ein Schwarzer gewesen, und der hatte sich nicht um den Posten eines Gärtners beworben, sondern um den eines Klavierstimmers. »Und wissen Sie was, Iwan, bei uns hatte die Geschichte einen etwas anderen Schluss«, fügte sie nach kurzem Nachdenken hinzu. In diesem Augenblick sah ich Len in der Tür stehen. Ich winkte ihm lächelnd zu. Da er es nicht zu bemerken schien, zwinkerte ich und lockte ihn mit dem Finger.
»Wem zwinkern Sie zu?«, wollte Wusi wissen. Vom vielen Lachen klang ihre Stimme ganz brüchig.
»Len ist da«, sagte ich. Es bereitete mir Vergnügen, sie anzuschauen; ich mag es, wenn Leute lachen, besonders solche wie Wusi, die schön sind und fast noch Kinder.
»Wo?«, fragte sie verwundert.
Len war verschwunden.
»Len ist nicht zu Hause«, sagte Mutter Waina, die zufrieden an ihrem Gläschen mit dem Brandy schnupperte und nichts mitbekommen hatte. »Er ist bei den Siroks zum Geburtstag. Wenn Sie ahnten, Iwan
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