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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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die beiden sofort. Sie hatten es nicht eilig. Der, der rechts ging, war ein bisschen kleiner, und im Schein einer Laterne sah ich, dass er weiches, spärliches Haar hatte. Sie schienen sich nicht mehr zu unterhalten.
    Hinter einer Grünanlage schwenkten sie in eine dunkle Gasse ab, prallten vor einem Betrunkenen zurück, der sie angesprochen hatte, und liefen plötzlich, ohne sich noch einmal umzusehen, in den Garten vor einem großen finsteren Haus. Ich hörte eine schwere Tür dumpf zuschlagen. Es war zwei Minuten vor zwei.
    Ich schob den Betrunkenen beiseite, ging in den Garten und setzte mich auf eine silbern gestrichene Bank im Fliedergebüsch. Die Bank war aus Holz, der Weg durch den Garten mit Sand bestreut. Das Portal des Hauses wurde von einer blauen Glühlampe beleuchtet, und ich erkannte zwei Karyatiden, die den Balkon über der Tür hielten. Mit einem Metroeingang hatte das keine Ähnlichkeit, aber was hieß das schon? Ich beschloss zu warten.
    Es dauerte nicht lange, da hörte ich Schritte, und auf dem Weg erschien eine dunkle Gestalt in einem Umhang. Es war eine Frau. Ich begriff nicht gleich, warum mir der stolz erhobene Kopf mit der hohen zylindrischen Frisur, in der unter den Sternen große Steine funkelten, so bekannt vorkam. Ich stand auf, schritt ihr entgegen und sagte, um einen spöttisch ehrerbietigen Tonfall bemüht: »Sie kommen spät, Gnädigste, es ist schon nach zwei.«
    Sie erschrak kein bisschen. »Was sagen Sie da?«, rief sie. »Sollte meine Uhr stehengeblieben sein?«
    Das war die Frau, die mit dem Fahrer des Lastwagens Streit gehabt hatte. Doch selbstverständlich erkannte sie mich nicht. Frauen, deren Unterlippe angewidert herabgezogen ist, erinnern sich nie an Leute, denen sie zufällig begegnet sind. Ich fasste sie unter, und wir stiegen die breiten Steinstufen hinauf. Die Tür war so wuchtig und schwer wie ein Reaktordeckel. Das Vestibül war leer. Ohne sich umzudrehen, warf mir die Frau ihren Umhang zu und ging weiter; ich blieb ein wenig zurück, um mich noch kurz in einem großen Spiegel zu betrachten … Meister Gaoej war wirklich erstklassig … Dennoch hielt ich es für ratsam, mich im Schatten zu halten. Wir traten in einen Saal.
    Nein, das war alles – nur keine Metro. Der Saal war groß und altmodisch, die Wände mit Ebenholz getäfelt, in einer Höhe von fünf Metern befand sich eine Galerie mit einer Balustrade. Von der pompösen Decke lächelten traurig rosige blonde Engel. Fast den ganzen Saal nahmen Ledersessel ein, die sehr massiv wirkten. In den Sesseln räkelten sich elegante Leute, zum größten Teil ältere Männer. Sie blickten dorthin, wo ein von unten her beleuchtetes Bild vor dunklem Samt strahlte.
    Niemand drehte sich um, als wir eintraten. Die Dame rauschte nach vorn, und ich setzte mich in einen Sessel nahe der Tür. Ich war überzeugt, dass ich umsonst hergekommen war. Die Leute im Saal schwiegen, hier und da hüstelte einer, von den dicken Zigarren kräuselte sich friedlich bläulicher Rauch, die zahlreichen Glatzen glänzten still unter dem elektrischen Lüster. Ich betrachtete das Bild. Von Malerei verstehe ich nicht viel, aber ich hielt es für einen Raffael, und wenn es kein echter war, so handelte es sich um eine sehr gelungene Kopie.
    Ein Kupfergong ertönte, und im selben Augenblick stand neben dem Bild ein hagerer Mann mit schwarzer Maske auf, der vom Hals bis zu den Zehen in schwarzes Trikot gezwängt war. Ihm folgte hinkend ein buckliger Zwerg in rotem Kittel. In den ausgestreckten Händchen hielt er ein matt schimmerndes unheildrohendes Schwert. Er verharrte rechts vom Bild, während der maskierte Mann vortrat und leise sagte: »In Übereinstimmung mit den Gesetzen und Statuten der edlen Gesellschaft der Mäzene, im Namen der heiligen einzigartigen Kunst und in Ausübung der mir von Ihnen verliehenen Macht habe ich Geschichte und Wert dieses Bildes geprüft, und …«
    »Ich bitte um Unterbrechung!«, erklang hinter mir eine schneidende Stimme.
    Alle drehten sich um. Ich tat es ebenfalls und sah, dass mich drei junge starke Männer in dunklen, altmodischen Anzügen anstarrten. Der eine trug ein blitzendes Monokel im rechten Auge. Sekundenlang musterten wir einander, dann zuckte er mit der Wange, und das Monokel fiel herab. Ich stand sofort auf. Sie rückten gegen mich vor, auf leisen Sohlen, wie Katzen. Ich griff nach dem Sessel – er war zu schwer. Sie stürzten sich gleichzeitig auf mich. Ich wehrte mich, so gut ich konnte, und zunächst

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