Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
Vom Netzwerk:
Sachen in den Utilisator. Dann musterte ich mich im Spiegel und wunderte mich, dass ich so glimpflich davongekommen war – eine Beule am Ohr, ein hübscher blauer Fleck an der linken Schulter und ein paar Schrammen an den Rippen. Und zerschundene Fäuste.
    Auf dem Nachttisch entdeckte ich einen Zettel mit dem ehrerbietigen Ersuchen, die Miete für die ersten dreißig Tage zu entrichten. Die Summe war hoch, aber erträglich. Ich zählte ein paar Banknoten ab und steckte sie in den bereitgelegten Umschlag. Dann streckte ich mich auf dem Bett aus. Den gesunden Arm schob ich unter den Kopf. Die kühlen Laken raschelten, durch das offene Fenster strömte leicht salzige Meeresluft herein. Neben dem Ohr schnaufte gemütlich der Fonor. Vor dem Einschlafen wollte ich noch ein wenig nachdenken, doch ich war zu erschöpft und schlief rasch ein.
    Etwas weckte mich. Ich öffnete die Augen und lauschte gespannt. Irgendwo in der Nähe schien ein Kind zu weinen oder zu singen. Ich stand leise auf und beugte mich aus dem Fenster. Das Stimmchen murmelte: »… Hat man in den Gräbern kurze Zeit gelegen, erhebt man sich und lebt gleich Lebenden unter Lebenden …« Ich vernahm Schluchzen. Wie Mückengesumm klang es aus der Ferne: »Bibberlein! Bibberlein!« Die klägliche Stimme sagte: »… Blut mit Erde vermischt, wird nicht gegessen …« Ich nahm an, die betrunkene Wusi weine und jammere oben in ihrem Zimmer, und rief halblaut: »Wusi!« Niemand antwortete. Das Stimmchen schrie: »Hebe dich fort von meinem Haar, hebe dich fort von meinem Fleisch, hebe dich fort von meinen Knochen!« Da begriff ich, wer das war. Ich kletterte über das Fensterbrett, sprang ins Gras und ging in den Garten, auf das Schluchzen zu. Zwischen den Bäumen zeigte sich Licht, und bald darauf stieß ich auf die Garage. Das Tor war halb geöffnet, und ich blickte hinein. Dort stand ein großer glänzender Opel. Auf dem Montagetisch brannten zwei Kerzen. Es roch nach aromatischem Benzin und heißem Wachs.
    Im Kerzenschein saß Len in einem knöchellangen weißen Hemd auf einer Bank. Er war barfuß und hielt ein zerfleddertes Buch auf den Knien. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er mich an. Sein Gesicht war schneeweiß und vor Entsetzen wie versteinert.
    »Was machst du hier?«, fragte ich und trat ein.
    Er begann zu zittern. Ich hörte seine Zähne klappern.
    »Len, Menschenskind«, sagte ich. »Erkennst du mich nicht? Ich bin’s, Iwan!«
    Er ließ das Buch fallen und verbarg die Hände unter den Achseln. Seine Stirn bedeckte sich mit Schweiß wie am Morgen. Ich setzte mich neben ihn und legte den Arm um ihn. Kraftlos lehnte er sich an mich. Es schüttelte ihn. Ich schaute auf das Buch. Ein gewisser Doktor Nef beglückte die Menschheit mit einer »Einführung in die Lehre von den nekrotischen Erscheinungen«. Ich beförderte das Buch mit einem Fußtritt unter den Tisch.
    »Wessen Wagen ist das?«, fragte ich.
    »Mamas.«
    »Ein prima Ford.«
    »Kein Ford. Ein Opel.«
    »Richtig, ein Opel … Wahrscheinlich zweihundert Meilen?«
    »Ja.«
    »Und wo hast du die Kerzen her?«
    »Die hab ich gekauft.«
    »So? Ich wusste gar nicht, dass heutzutage noch Kerzen verkauft werden. Ist die Glühlampe durchgebrannt? Verstehst du, ich ging in den Garten, um mir einen Apfel zu pflücken, da sah ich Licht in der Garage.«
    Er schmiegte sich an mich und flüsterte: »Sie … Bleiben Sie noch ein bisschen.«
    »Schön. Aber vielleicht löschen wir die Kerzen und gehen zu mir?«
    »Nein, dahin kann ich nicht.«
    »Wohin kannst du nicht?«
    »Zu Ihnen. Ins Haus.« Er klang sehr überzeugt. »Noch lange nicht. Erst wenn alle eingeschlafen sind.«
    »Wer?«
    »Sie.«
    »Wer sind sie?«
    »Sie. Hören Sie nicht?«
    Ich lauschte. Ich hörte nur, wie die Bäume im Wind rauschten und in der Ferne »Bibberlein! Bibberlein!« gebrüllt wurde.
    »Ich höre nichts Besonderes«, sagte ich.
    »Das ist, weil Sie nichts wissen. Sie sind ein Neuling hier, und Neulinge tasten sie nicht an.«
    »Wer ist das denn eigentlich – sie?«
    »Sie alle. Haben Sie den Gauner mit den Silberknöpfen gesehen?«
    »Peti? Ja, den hab ich gesehen. Warum ist er ein Gauner? Meiner Ansicht nach ist er ein durchaus anständiger Mensch …«
    Len sprang auf. »Kommen Sie«, wisperte er. »Ich zeige es Ihnen. Aber seien Sie leise.«
    Wir verließen die Garage, tappten zum Haus und schlichen um die Ecke. Lens Hand war kalt und feucht und ruhte die ganze Zeit in meiner.
    »Da!«, sagte er.
    Der Anblick war

Weitere Kostenlose Bücher