Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
anders aus als sonst, dennoch erkannte ich ihn sofort, weil wir vier Jahre lang in den Hörsälen nebeneinander gesessen und uns auch danach noch fast täglich getroffen hatten.
»Hören Sie«, sagte ich zum Barmann. »Das ist Buba?«
»Hmhm«, murmelte er.
»Ist das ein Spitzname?«
»Woher soll ich das wissen? Alle nennen ihn so.«
»Pek!«, schrie ich.
Die Leute drehten sich nach mir um. Er suchte mit den Augen den, der ihn gerufen hatte. Doch mir schenkte er keine Beachtung. Als sei ihm etwas eingefallen, schüttelte er plötzlich mit ruckartigen Bewegungen das Wasser vom Mantel, schlurfte zur Theke und kletterte mühsam auf den Hocker neben mir.
»Das Übliche«, bat er den Barmann. Seine Stimme klang dumpf und gepresst, als habe man ihn an der Gurgel gepackt.
»Sie werden erwartet«, sagte der Barmann und stellte ein Glas Schnaps und einen tiefen Teller mit Zucker vor ihn hin.
Zögernd blickte er mich an und fragte: »Was wünschen Sie?«
Seine halb gesenkten Lider waren entzündet, die Augenwinkel voller Schleim. Er atmete durch den Mund, als leide er an einer Schwellung der Mandeln.
»Pek Senai«, sagte ich leise. »Kursteilnehmer Pek Senai, kehren Sie bitte von der Erde in den Himmel zurück.«
Er blickte mich weiter wie blind an. Dann leckte er sich die Lippen und sagte: »Wohl ein Kurskollege?«
Mir wurde unheimlich. Er nahm sein Glas, schüttete den Alkohol in sich hinein und aß, von Ekel gewürgt, mit einem Esslöffel den Zucker nach. Der Barmann schenkte ihm erneut ein.
»Pek«, sagte ich. »Alter Freund, erinnerst du dich nicht an mich?«
Er betrachtete mich. »Nein. Aber bestimmt habe ich Sie schon mal gesehen …«
»Mal gesehen!«, sagte ich verzweifelt. »Ich bin Iwan Shilin, hast du mich denn völlig vergessen?«
Seine Hand mit dem Glas begann kaum merklich zu zittern, das war alles. »Nein, mein Freund«, sagte er. »Ich bitte um Entschuldigung, gewiss, aber ich erinnere mich nicht an Sie.«
»Auch nicht an die ›Tachmasib‹, auch nicht an Iowa Smith?«
»Ich habe heute schreckliches Sodbrennen«, teilte er dem Barmann mit. »Geben Sie mir Soda, Kon.«
Der Barmann, der neugierig zugehört hatte, goss ihm Sodawasser ein.
»Ein elender Tag ist das heute«, klagte Buba. »Zwei Automaten haben gestreikt, stellen Sie sich das mal vor, Kon!«
Der Barmann schüttelte den Kopf und seufzte.
»Der Direktor tobt«, fuhr Buba fort. »Er hat mich zu sich zitiert und angeblafft. Ich gehe weg von da. Ich habe ihm ein paar Grobheiten gesagt, und dann hat er mich entlassen.«
»Wenden Sie sich doch an die Gewerkschaft«, riet der Barmann.
»Ach, die«, winkte Buba ab. Er trank das Sodawasser und wischte sich mit der Hand über den Mund. Mich beachtete er nicht.
Ich saß wie angespuckt da und hatte völlig vergessen, wozu ich Buba brauchte. Und ich brauchte Buba – nicht Pek. Das heißt, Pek brauchte ich auch, aber nicht den da … Denn das war nicht Pek; es war der mir fremde, unsympathische Buba, und entsetzt sah ich, wie er das zweite Glas Alkohol in sich hineinkippte und wieder löffelweise Zucker nachstopfte. Sein Gesicht bedeckte sich mit roten Flecken, würgend hörte er dem Barmann zu, der ihm begeistert vom Fußball erzählte. Ich hätte schreien mögen: Pek, was ist mit dir geschehen? Du hast doch all das immer gehasst! – Ich legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte bittend: »Pek, Lieber, hör mich an.«
Er machte sich los. »Was ist, mein Freund?« Seine Augen sahen mich nicht. »Ich bin nicht Pek, ich heiße Buba, klar? Sie verwechseln mich mit jemandem. Hier gibt es keinen Pek … Und was war dann mit den ›Nashörnern‹, Kon?«
Mir fiel ein, wo ich mich befand, und ich begriff, dass es Pek hier tatsächlich nicht mehr gab. Hier gab es Buba, Agent einer Verbrecherorganisation, und das war die Realität, während Pek Senai eine Fata Morgana war. Erinnerung. Ich musste ihn schnellstens vergessen, falls ich die Absicht hatte zu arbeiten. Also gut, dachte ich und biss die Zähne zusammen. Wie Sie wünschen.
»Hallo, Buba«, sagte ich. »Ich habe ein Anliegen an dich.«
Er war schon betrunken. »Über Anliegen rede ich nicht an der Theke«, erklärte er. »Und überhaupt habe ich die Arbeit an den Nagel gehängt. Aus. Anliegen gehen mich nichts mehr an. Wende dich an die Stadtverwaltung, mein Freund. Dort wird man dir helfen.«
»Ich wende mich an dich, nicht an die Stadtverwaltung«, beharrte ich. »Wirst du mich anhören?«
»Das tue ich schon die ganze Zeit
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