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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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Prismentheaterglas.
    Rudolf Archipowitsch Chlebowwodow, gelb und dürr wie ein Flechtzaun, setzte sich links neben Lawr Fedotowitsch und flüsterte ihm sogleich etwas ins Ohr, wobei seine entzündeten Augen ziellos von einer Zimmerecke zur anderen huschten.
    Der rothaarige, schlaff wirkende Farfurkis nahm nicht am Tisch Platz. Er ließ sich demokratisch auf einem ungepolsterten Stuhl gegenüber dem Kommandanten nieder, holte ein dickes Notizbuch mit morschem Einband hervor und machte sich einen Vermerk.
    Der wissenschaftliche Berater Professor Wybegallo, den wir auch ohne Beschreibung erkannten, musterte uns gleich gültig, zog die Brauen zusammen, blickte kurz zur Decke hoch, als versuche er sich zu erinnern, wo er uns schon einmal gesehen haben könnte, setzte sich dann an sein Tischchen und waltete emsig seines verantwortungsvollen Amtes; es blieb offen, ob er sich nun an uns erinnert hatte oder nicht. Vor ihm tauchte der erste Band der »Kleinen Sowjetischen Enzyklopädie« auf, ihm folgten der zweite, der dritte, der vierte Band …
    »Hrrrm«, stieß der Vorsitzende Lawr Fedotowitsch Wunjukow hervor und musterte die Anwesenden mit einem Blick, dem nichts verborgen blieb und der selbst das kleinste Detail wahrzunehmen schien. Alle waren bereit: Chlebowwodow flüsterte, Farfurkis machte einen zweiten Vermerk, der Kommandant blätterte wie ein Schüler vor dem Leistungstest krampfhaft in einer Akte, während Wybegallo den sechsten Band auspackte. Was die Repräsentanten, das heißt uns, anging, so hatten wir hier nichts zu melden. Ich warf einen Blick zu Edik hinüber und wandte mich rasch wieder ab. Edik stand kurz vor der endgültigen Demoralisierung – Wybegallos Auftritt hatte ihm den Rest gegeben.
    »Hiermit erkläre ich die Abendsitzung der Troika für eröffnet«, verkündete Lawr Fedotowitsch Wunjukow. »Der nächste Vorgang! Tragen Sie vor, Genosse Subo.«
    Der Kommandant sprang auf und setzte, eine aufgeschlagene Akte vor sich, mit hoher Stimme an: »Familienname: Maschkin. Vorname: Edelweiß. Vatersname: Sacharowitsch …«
    »Seit wann heißt der denn Maschkin?«, erkundigte sich Chlebowwodow unwirsch. »Babkin heißt er und nicht Masch kin. Edelweiß Petrowitsch Babkin. 1947 habe ich im Molkereikomitee mit ihm zusammengearbeitet. Edik Babkin, so ein Stämmiger, der für sein Leben gern Sahne aß. Übrigens hieß er auch nicht Edelweiß, sondern Eduard. Eduard Petrowitsch Babkin.«
    Lawr Fedotowitsch wandte ihm langsam sein steinernes Gesicht zu. »Babkin?«, stieß er hervor. »Ich erinnere mich nicht. Fahren Sie fort, Genosse Subo.«
    »Vatersname: Sacharowitsch«, wiederholte der Kommandant. Sein Mundwinkel zuckte. »Geburtsjahr und -ort: 1901, Smolensk. Nationalität …«
    »E-dul-weiß oder E-dol-weiß«, fragte Farfurkis.
    »E-del-weiß«, antwortete der Kommandant. »Nationalität: Weißrussisch. Schulbildung: nicht abgeschlossene Mittel schulbildung, nicht abgeschlossene Fachschulbildung. Fremd sprachenkenntnisse: Russisch perfekt, Ukrainisch und Weißrussisch mit Wörterbuch. Gegenwärtige Arbeitsstelle …«
    Plötzlich schlug sich Chlebowwodow vor die Stirn, dass es krachte. »Ach nein!«, schrie er. »Der ist ja tot!«
    »Wer ist tot?«, fragte Lawr Fedotowitsch mit hölzerner Stimme.
    »Na, dieser Babkin! Jetzt weiß ich’s wieder, als wär’s erst gestern gewesen: 1956 ist er an einem Herzinfarkt gestorben. Damals war er Finanzchef der Allrussischen Gesellschaft für Naturforscher. Er ging in sein Arbeitszimmer, setzte sich hin und war tot. Also stimmt hier was nicht.«
    Lawr Fedotowitsch nahm das Theaterglas und musterte den Kommandanten, dem es die Sprache verschlagen hatte.
    »Ist sein Tod bei Ihnen vermerkt?«, erkundigte er sich nach einer Weile.
    »Jesus Christus«, murmelte der Kommandant. »Was für ein Tod? Warum soll er tot sein? Er ist quietschfidel und war tet draußen im Vorzimmer.«
    »Einen Augenblick.« Farfurkis schaltete sich ein. »Sie gestatten, Lawr Fedotowitsch? Kollege Subo, wer wartet draußen im Vorzimmer? Aber exakt: Familienname, Vorname, Vatersname.«
    »Na, Babkin«, sagte der Kommandant verzweifelt. »Das heißt, Moment mal, was rede ich da? Nicht Babkin, sondern Maschkin! Maschkin wartet draußen. Edelweiß Sacharowitsch Maschkin.«
    »Verstehe«, versetzte Farfurkis. »Und wo ist Babkin?«
    »Babkin ist tot«, antwortete Chlebowwodow resolut. »So viel steht fest. Und zwar seit 1956. Er hatte allerdings einen Sohn. Paschka hieß er, glaube ich. Pawel

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