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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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verschränkte die Arme hinter dem Rücken, setzte eine souveräne, skeptische Miene auf und näherte mich mit steifen Beinen dem Stein. Wie erwartet, erwies er sich als eine Art Wegweiser, wie er häufig in Märchen vorkommt. Die Aufschrift darauf lautete:
    § 1 gehst nach li
    nks wirst dein kopf verlie
    ren § 2 gehst nach rechts
    kommst nirgends an § 3 ger
    ade geh S W U H
    »Die letzte Zeile ist weggemeißelt worden«, erklärte Edik. »Ah, hier hat jemand noch etwas mit Bleistift dazugeschrieben … ›Wir … haben … das Volk konsultiert, und es besteht … die Meinung, dass man … geradeaus gehen sollte.‹ Unterschrift: L. Wunjukow.«
    Wir schauten nach vorn. Jetzt, wo sich unsere Augen an das diffuse Licht gewöhnt hatten, das den Raum auf unerklärliche Weise erhellte, erblickten wir Türen. Es waren drei, wobei diejenigen, die nach rechts und links führten, mit Brettern vernagelt waren, während zu der mittleren Tür ein in den Staub getretener, um den Stein herumlaufender Pfad führte.
    »Mir gefällt das Ganze nicht«, gab ich freimütig zu. »Diese Knochen da …«
    »Ich glaube, das sind Elefantenknochen«, sagte Edik. »Aber egal. Wir können jetzt sowieso nicht mehr umkehren.«
    »Vielleicht sollten wir trotzdem eine Notiz schreiben und in den Aufzugschacht werfen?«, schlug ich vor. »Sonst gehen wir noch zugrunde, ohne eine Spur zu hinterlassen.«
    »Sascha«, mahnte Edik, »du vergisst, dass wir in telepathischer Verbindung stehen. Wir blamieren uns doch. Reiß dich zusammen.«
    Und ich riss mich zusammen. Wieder schob ich den Unterkiefer vor und bewegte mich auf die mittlere Tür zu. Edik ging neben mir.
    »Der Rubikon ist überschritten!«, erklärte ich und trat mit dem Fuß gegen die Tür.
    Der Effekt verpuffte: An der Tür hing ein unscheinbares Schild mit der Aufschrift »Ziehen«. Somit mussten wir den Rubikon ein zweites Mal überschreiten, diesmal jedoch ohne große Gesten und gegen den erniedrigenden Widerstand einer starken Zugfeder.
    Gleich hinter der Tür befand sich ein Park, den helles Sonnenlicht erfüllte. Wir erblickten kleine, sandige Alleen, gestutztes Buschwerk und die Hinweise: »Rasen betreten verboten« sowie »Gras verzehren verboten«. Auf der gegenüberliegenden Seite stand eine gusseiserne Bank mit durchbrochener Rückenlehne. Darauf saß ein seltsamer Mann mit Zwicker, las Zeitung und bewegte dazu die langen Zehen seiner bloßen Füße. Als er uns bemerkte, geriet er aus irgendeinem Grund in Verlegenheit, nahm, ohne die Zeitung zu senken, geschickt mit dem einen Fuß den Zwicker ab, rieb ihn gegen sein Hosenbein und beförderte ihn erneut auf seine Nase zurück. Erst dann legte er die Zeitung beiseite und stand auf. Er war hochgewachsen, sehr behaart und trug eine strahlend weiße, ärmellose Jacke sowie blaue Leinenhosen mit Hosenträgern. Der vergoldete Zwicker drückte seine breite, behaarte Nasenwurzel zusammen, was ihm ein ausländisches Aussehen verlieh. Der Mann hatte etwas von einer politischen Karikatur in einer der zentralen Zeitungen. Er wackelte mit seinen großen, spitzen Ohren, machte ein paar Schritte auf uns zu und sagte mit heiserer, doch angenehmer Stimme:
    »Willkommen in Tmuskorpion. Gestatten Sie mir, mich vorzustellen: Fjodor, Schneemensch.«
    Wir verneigten uns schweigend.
    »Sie kommen doch von unten?«, fuhr er fort. »Gott sei Dank. Ich warte schon über ein Jahr auf Sie – seitdem ich rationalisiert worden bin. Setzen wir uns doch. Bis zur Abendsitzung der Troika dauert es noch etwa eine Stunde. Ich würde mir wünschen, dass Sie, mit Verlaub, einigermaßen vorbereitet bei dieser Sitzung erscheinen. Natürlich weiß ich nicht viel, aber lassen Sie mich Ihnen doch wenigstens das berichten …«

VORGANG NR. 42
    Der alte Edelweiß
    Um Punkt fünf überschritten wir die Schwelle zum Sitzungssaal. Wir waren instruiert, zu allem bereit und wussten, was uns bevorstand. Zumindest schien es mir so. Ich muss zugeben, Fjodors Erklärungen hatten mich etwas beruhigt, Edik hingegen hatte eher niedergeschlagen reagiert. Seine Niedergeschlagenheit verwunderte mich; ich führte sie darauf zurück, dass Edik ein Mann der reinen Wissenschaft war, weit entfernt von ein- und ausgehender Korrespondenz, Lochzangen und Bestandslisten. Und so bewirkte seine Niedergeschlagenheit in mir, der ich mehr Erfahrung hatte, ein Gefühl der Überlegenheit. Ich fühlte mich älter, ranghöher und war bereit, mich entsprechend zu verhalten.
    Im Sitzungssaal war bis jetzt

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