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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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vom Fleck zu rühren.
    »Meinetwegen.« Viktor streifte auch den zweiten Schuh ab und ging auf nassen Socken ins Bad. Beim Ausziehen hörte er den Jungen mit leiser, ruhiger Stimme sprechen, konnte aber nichts verstehen. Nur einmal hörte er laut und deutlich die Worte: »Ich weiß nicht.« Viktor rieb sich mit einem Handtuch trocken, warf den Bademantel über, griff nach einem sauberen Badetuch und kehrte ins Zimmer zurück. »Hier, nimm«, sagte er, wusste aber sogleich, dass Bol-Kunaz kein Handtuch brauchte. Er stand, noch immer vor Nässe triefend, an der Tür.
    »Ich danke Ihnen«, sagte er. »Sehen Sie, ich muss weg. Ich wollte nur noch …«
    »Du wirst dich erkälten«, warnte Viktor.
    »Nein, machen Sie sich keine Sorgen. Noch einmal vielen Dank. Erkälten werde ich mich nicht. Ich wollte nur noch etwas mit Ihnen besprechen. Hat Irma Ihnen nichts gesagt?«
    Viktor warf das Handtuch auf die Couch, hockte sich vor die Bar und angelte eine Flasche und ein Glas heraus.
    »Irma hat alles Mögliche gesagt«, erwiderte er ein wenig ungehalten. Er goss einen Fingerbreit Gin ein und füllte etwas Wasser nach.
    »Hat sie Ihnen nicht unsere Einladung gegeben?«
    »Nein. Sie hat mir keine Einladung gegeben. Hier, trink das.«
    »Nein, danke. Wenn sie Ihnen nichts gesagt hat, will ich das jetzt nachholen. Wir möchten Sie zu einem Gespräch einladen, Herr Banew.«
    »Wer ist ›wir‹?«
    »Die Gymnasiasten. Sehen Sie, wir haben Ihre Bücher gelesen und würden Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
    »Hm«, meinte Viktor zweifelnd. »Bist du sicher, dass das für alle interessant ist?«
    »Ich denke schon.«
    »Schließlich schreibe ich nicht für Gymnasiasten«, gab Viktor zu bedenken.
    »Das ist unwichtig«, sagte Bol-Kunaz sanft, aber beharrlich. »Würden Sie kommen?«
    Nachdenklich schwenkte Viktor das durchsichtige Getränk in seinem Glas. »Willst du nicht doch was trinken?«, fragte er. »Etwas Besseres gegen Erkältungen gibt es nicht … Nein? Na, dann trinke ich’s selbst.« Er leerte das Glas. »Gut, ich komme. Aber keine Plakate, keine Reklame. Wir bleiben unter uns. Nur ihr und ich. Wann?«
    »Wann es Ihnen passt. Am besten noch in dieser Woche. An einem Morgen.«
    »Sagen wir in zwei, drei Tagen. Aber nicht zu früh. Vielleicht Freitag um elf. Klappt das?«
    »Ja. Freitag um elf. Im Gymnasium. Soll ich Sie vorher noch einmal anrufen?«
    »Unbedingt«, empfahl Viktor. »Empfänge, Soireen und Bankette, Meetings, Treffen und Beratungen versuche ich nach Möglichkeit zu vergessen.«
    »Gut, ich werde Sie anrufen«, bestätigte Bol-Kunaz. »Wenn Sie gestatten, gehe ich jetzt. Auf Wiedersehen, Herr Banew.«
    »Warte, ich gehe mit«, sagte Viktor. »Damit dieser Pförtner dir nicht wieder dumm kommt. Er hat heute schlechte Laune, du weißt ja, wie Pförtner sind …«
    »Vielen Dank, aber machen Sie sich keine Sorgen«, entgegnete Bol-Kunaz. »Das ist mein Vater.«
    Dann ging er. Viktor schenkte sich noch einen Fingerbreit Gin ein und ließ sich in einen Sessel fallen. Soso, dachte er. Der arme Pförtner. Wie heißt er nur gleich? Das ist ja direkt peinlich, schließlich sind wir sozusagen Leidensgefährten. Ich werde mal mit ihm reden und Erfahrungen austauschen. Er kennt sich da bestimmt besser aus als ich. Aber wie kommt es zu so einer Anhäufung von Wunderkindern in meinem kleinen Heimatstädtchen? Macht das die hohe Luftfeuchtigkeit? Er warf den Kopf in den Nacken und verzog schmerzlich das Gesicht. Womit hat der Halunke bloß zugeschlagen? Er betastete die Beule. Vielleicht mit einem Gummiknüppel. Aber woher soll ich wissen, was ein Gummiknüppel für Beulen hinterlässt? Wie es aussieht, wenn man einen der modernen Stühle aus dem »Gebratenen Pegasus« über den Schädel bekommt, weiß ich. Was der Kolben einer MPi oder ein Pistolengriff anrichten, weiß ich auch. Und eine leere oder volle Sektflasche … Ich werde am besten Golem fragen. Überhaupt ist das eine sehr merkwürdige Geschichte, über die man gründlich nachdenken sollte …
    Sofort fing er mit dem Nachdenken an, um all diese lästigen Gedanken zu vertreiben: an Irma, an die Notwendigkeit, auf etwas zu verzichten und sich einzuschränken, oder daran, Bettelbriefe zu schreiben. »Entschuldige, dass ich dich behellige, alter Junge, aber ich habe plötzlich bemerkt, dass ich eine zwölfjährige Tochter habe, ein prächtiges Mädchen. Nur die Mutter ist eine dumme Gans, und mit dem Vater ist auch nicht viel los. Es wäre also gut, sie irgendwo

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