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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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Viktor seine Tischrede wieder auf. »Begabte Wissenschaftler sind auf Verwaltungsposten mit hohem Einkommen zu setzen, sämtliche Erfindungen sind zu akzeptieren, schlecht zu bezahlen und auf Eis zu legen, jede Neuerung in Warenangebot und Produktion ist mit drastischen Steuern zu belegen …« Warum stehe ich eigentlich?, dachte Viktor plötzlich und setzte sich. »Na, wie finden Sie das?«, fragte er Golem.
    »Sie haben vollkommen recht«, meinte Golem. »Jeder ist heute ein Radikaler. Sogar der Direktor des Gymnasiums. Die Konservativen sind unsere Rettung.«
    Viktor nahm einen Schluck Gin und erwiderte bitter: »Es gibt keine Rettung. Weil diese radikalen Hohlköpfe nicht nur an den Fortschritt glauben – nein, sie lieben ihn sogar und bilden sich ein, dass es ohne ihn nicht geht. Weil der Fortschritt, von allem anderen abgesehen, billige Autos, Alltagselektronik und die Möglichkeit bedeutet, weniger zu tun und mehr zu kriegen. Darum ist jede Regierung gezwungen, mit der einen Hand, äh, will sagen, nicht mit der einen Hand, sondern mit dem einen Fuß auf die Bremse zu treten und mit dem anderen aufs Gaspedal. Wie ein Rennfahrer in der Kurve. Auf die Bremse, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und aufs Gaspedal, um das Tempo zu halten, weil ihn sonst ein Demagoge und Fortschrittsfanatiker aus seiner führenden Position wirft.«
    »Mit Ihnen kann man schwer streiten«, meldete sich Pavor höflich.
    »Dann lassen Sie’s bleiben«, erwiderte Viktor. »Wir brauchen nicht zu streiten: Im Streit wird die Wahrheit geboren – zum Teufel mit ihr.« Er strich zärtlich über seine Beule und fügte hinzu: »Wahrscheinlich ist meine Unwissenheit der Grund, warum ich so denke. Wissenschaftler sind Fortschrittsfanatiker. Ich aber bin kein Wissenschaftler, sondern nur ein nicht ganz unbekannter Coupletschreiber.«
    »Warum fassen Sie sich immerzu an den Hinterkopf?«, wollte Pavor wissen.
    »Irgendein Schweinehund hat mir eins über den Schädel gegeben«, erklärte Viktor. »Mit dem Schlagring. Stimmt’s, Golem?«
    »Meiner Meinung nach mit dem Schlagring«, pflichtete ihm Golem bei. »Es könnte aber auch ein Ziegelstein gewesen sein.«
    »Was sagen Sie da?«, fragte Pavor erstaunt. »Mit einem Schlagring? In diesem Krähwinkel?«
    »Da haben Sie’s«, rief Viktor. »Das ist der Fortschritt! Stoßen wir noch einmal auf die Konservativen an!«
    Sie riefen den Kellner und tranken noch einmal auf die Konservativen. Die Uhr schlug neun, als im Saal zwei bekannte Männer auftauchten: ein junger Mann mit sehr großer Brille und sein hochaufgeschossener Begleiter. Sie setzten sich an ihren Tisch, knipsten die Stehlampe an, blickten ergeben in die Runde und vertieften sich in die Speisekarte. Der junge Mann hatte wieder die Aktentasche bei sich, die er auf den freien Sessel neben sich stellte. Seine Aktentasche behandelte er immer wie ein rohes Ei. Nachdem sie die Bestellung aufgegeben hatten, richteten sie sich auf und blickten schweigend vor sich hin.
    Ein seltsames Paar, dachte Viktor. Sie passen so gar nicht zusammen. Wie bei einem defekten Fernglas: Wenn der eine scharf ist, verschwimmt der andere und umgekehrt. Ein kompletter Gegensatz. Mit dem jungen Mann könnte man über den Fortschritt sprechen, mit dem hochgewachsenen nicht. Der wiederum könnte mir eins mit dem Schlagring verpassen, der junge hingegen nicht. Aber ich bringe euch noch auf einen Nenner. Wie mache ich das am besten? Na, zum Beispiel so: eine Staatsbank, Kellerräume, Zement, Beton, eine Alarmanlage … Der Lange wählt eine Nummer auf der Drehscheibe, das Stahlschloss öffnet sich. Der Weg in die Schatzkammer ist frei, beide treten ein, und der Lange wählt eine Nummer auf einer anderen Drehscheibe. Die Safetür geht auf, und der junge Mann mit der Brille versenkt die Arme bis an die Ellbogen in Brillanten.
    Dr. Quadriga brach plötzlich in Tränen aus und packte Viktor am Arm. »Gehen wir schlafen«, schlug er vor. »Bei mir. Hm?«
    Viktor schenkte ihm hastig Gin ein. Dr. Quadriga trank, putzte sich die Nase und fuhr fort: »Bei mir. In meiner Villa. Ich habe einen Springbrunnen. Hm?«
    »Das mit dem Springbrunnen ist ein guter Einfall«, bemerkte Viktor ausweichend. »Was gibt es da noch?«
    »Einen Keller«, antwortete Dr. Quadriga betrübt. »Und Spuren. Ich habe Angst. Es ist furchtbar. Wenn du willst, verkauf ich dir die Villa.«
    »Schenk sie mir lieber«, schlug Viktor vor.
    Dr. Quadriga blinzelte ihn verstört an. »Dazu ist sie zu

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