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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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war, dessen Wände jedoch schon Wasserflecken hatten, dessen Dielen knarrten und in dem es nach Küche roch – besonders, wenn er daran dachte, dass es überall regnete: auf das Kopfsteinpflaster regnete es, auf die spitzen Dächer regnete es, und eines Tages würde der Regen die Berge und das Tal überfluten und alles ringsum wegspülen, aber dieser Tag war noch fern, obwohl man das heute nicht so genau wusste. Tja, meine Lieben, dachte er, die Zeiten, in denen die Zukunft nur eine Wiederholung der Gegenwart war und alle Veränderungen in weiter Ferne lagen, sind vorbei. Golem hat recht, es gibt keine Zukunft, sie hat sich mit der Gegenwart vermischt und ist nicht mehr davon zu unterscheiden.
    »Den hat ein Nässling vergewaltigt!«, rief Pavor schadenfroh.
    An der Eingangstür stand Dr. Quadriga. Ein paar Sekunden lang starrte er stumpfsinnig auf die leeren Tischreihen, dann leuchtete sein Gesicht auf, und er bewegte sich schwankend auf seinen Platz zu.
    »Warum nennen Sie sie Nässlinge?«, erkundigte sich Viktor. »Sind sie von dem vielen Regen nass geworden?«
    »Warum nicht?«, versetzte Pavor. »Wie würden Sie sie denn nennen?«
    »Brillenschlangen«, antwortete Viktor. »Das ist ein schönes altes Wort. Wir haben sie immer Brillenschlangen genannt.«
    Dr. Quadriga kam näher. Von vorne war er ganz nass, wahrscheinlich hatte ihn jemand ins Waschbecken getaucht. Er wirkte erschöpft und enttäuscht.
    »Weiß der Teufel, was das ist«, brummte er schon von Weitem. »So was ist mir noch nie passiert: kein Eingang! Überall bin ich gegen Glasscheiben gerannt. Ich fürchte, ich habe Sie warten lassen, meine Herren.« Er fiel in seinen Sessel und erblickte Pavor. »Der Kerl ist schon wieder da«, flüsterte er Golem vertraulich zu. »Ich hoffe, er stört Sie nicht. Mir ist da eine komische Sache passiert. Ein paar Leute haben mir Wasser über den Kopf gegossen.«
    Golem schenkte ihm Kognak ein.
    »Ich danke Ihnen«, sagte Dr. Quadriga. »Aber ich glaube, ich setze lieber ein paar Runden aus. Ich muss erst mal trock nen.«
    »Und ich bin für die guten alten Bräuche«, verkündete Viktor. »Brillenschlangen sollen Brillenschlangen bleiben. Von mir aus kann alles so bleiben, wie es ist. Ich bin konservativ. Achtung!«, sagte er laut. »Ich schlage vor, auf die Konservativen anzustoßen. Einen Augenblick …« Er goss sich Gin ein, stand auf und stützte sich mit der Hand auf die Sessellehne. »Ich bin konservativ«, erklärte er, »und werde von Jahr zu Jahr konservativer, aber nicht, weil ich alt werde, sondern weil es mir ein Bedürfnis ist …«
    Der noch nüchterne Pavor sah, sein Glas in der Hand, betont aufmerksam zu ihm auf. Golem verzehrte langsam seine Neunaugen, während Dr. Quadriga angestrengt zu begreifen suchte, woher die Stimme kam und zu wem sie gehörte. Eine traute Runde. Es war herrlich.
    »Die Leute werfen der Regierung gerne vor, dass sie konservativ ist«, fuhr Viktor fort. »Die Leute heben den Fortschritt in den Himmel. Das ist ein neuer Trend, und er ist dumm wie alles Neue. Die Leute sollten lieber zu Gott beten, dass er ihnen eine sture, verknöcherte, konformistische Regierung schenkt …«
    Jetzt sah auch Golem zu ihm auf, und Teddy legte das Tuch beiseite, mit dem er hinter dem Tresen die Flaschen polierte, und spitzte die Ohren. Viktor aber tat plötzlich das Genick weh; er musste das Glas absetzen und über seine Beule streichen.
    »Der Staatsapparat, meine Herren«, fuhr er fort, »betrachtet es immer als seine vornehmste Pflicht, den Status quo aufrechtzuerhalten. Ich weiß nicht, inwieweit das früher gerechtfertigt war, aber heute ist diese Aufgabe einfach unerlässlich. Ich würde sie so definieren: Die Zukunft ist auf jedwede Weise daran zu hindern, ihre Fühler in unsere Zeit auszustrecken, diese Fühler sind abzuhacken und mit glühenden Eisen zu verbrennen. Den Erfindern müssen Steine in den Weg gelegt, Scholastiker und Schwätzer gefördert werden, in allen Gymnasien ist eine ausschließlich klassische Bildung einzuführen, und die höchsten Regierungsposten sind mit alten Familienvätern zu besetzen, auf denen Schulden lasten und die mindestens sechzig Jahre auf dem Buckel haben, damit sie Schmiergelder annehmen und in den Sitzungen schlafen …«
    »Was reden Sie denn da, Viktor«, sagte Pavor vorwurfsvoll.
    »Aber wieso«, meinte Golem. »Ich finde es äußerst wohltuend, so gemäßigte, loyale Reden anzuhören.«
    »Ich bin noch nicht fertig, meine Herren!«, nahm

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