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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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lahmes Schicksal. Erst als mir auffiel, dass sich Leute nach mir umdrehten, riss ich mich zusammen, und vor dem Garderobier erschien ich, wie es sich für einen düsteren, sorgenschweren Geschäftsmann gehört, dessen Taschen voller Passierscheine und Ausweise sind.
    Nachdem ich die Außentreppe hinuntergestiegen war, drehte ich mich um, ich weiß selbst nicht, warum. Da sah ich hinter der Glastür Iwan Dawydowitsch stehen, die mächtigen Hände gegen die Scheiben gepresst und das bleiche Gesicht vorgeschoben. Unverwandt starrte er mir nach, wie der Vampir seinem entronnenen Opfer.
    Ich schäme mich, es zuzugeben, aber ich begann wieder zu laufen. Trotz meiner Arterien, meines Bauchs, und obwohl ich gelegentlich hinke. Erst als ich durch das Loch getaucht war und die Bogorodsker Chaussee erreicht hatte, meldete sich mein Selbstvertrauen wieder; ich fiel in Schritt, knöpfte meine Jacke zu und rückte die verrutschte Mütze gerade. Das Abenteuer hatte mir sehr missfallen, vor allem hatte mir Iwan Dawydowitsch Martinson missfallen, und wieder und wieder verfluchte ich Kostja und seine Konservenver giftung; ich schwor mir, nie wieder, für niemanden und unter keinen Umständen …
    Nach alldem konnte natürlich keine Rede mehr von der Bannaja sein. In den Klub! Schnell in den Klub! In unser braun getäfeltes Restaurant. In die Gefilde verführerischer Düfte. An meinen Tisch mit der gestärkten Decke. Unter Saschenkas Fittiche, das heißt, nein, heute ist ja ein ungerader Tag. Also unter Aljonuschkas Fittiche. Richtig, ich bezahle meine Schulden bei ihr und bestelle sogleich Hering, ölig glänzenden, zarten Hering in Stücken, mit fein geschnittenem Lauch bestreut, und als Beilage drei, vier mehlige Kartoffeln und ein Würfelchen eisgekühlte Butter, dazu eine bauchige Karaffe (ohne die geht’s nicht, das hab ich mir heute verdient). Weiter eingesalzene Milchpilze im eigenen Saft, mit Zwiebelringen und, falls nötig, Mineralwasser – oder Bier? Nein, Mineralwasser. Und wenn der erste Hunger gestillt ist und wir richtig Appetit bekommen haben, wenden wir uns der Soljanka mit Fleisch zu, die sie bei uns im Klub noch kochen können, zum Glück; sie bringen sie in einer matt glänzenden Metallterrine: bernsteinfarben, dampfend, mit verschiedenen, äußerst schmackhaften Fleischscheibchen und schwarz glänzenden Oliven darin. Himmel, die Hauptsache hätte ich fast vergessen! Der Kalatsch! Unser berühm ter klubeigener Kalatsch, weich, locker und knusprig … Zwei davon nehme ich mir mit nach Hause. Und nun, meine Herren, zum Hauptgericht …
    Den zweiten Gang allerdings konnte ich nicht mehr durchkosten, weil ich auf einmal ein gewisses Unbehagen verspürte. Als ich in die Wirklichkeit zurückkehrte, stellte ich fest, dass ich schon in der Metro saß, zwei hochaufgeschossene Kerle mit »adidas«-Taschen über mir hingen und durch die Lücke zwischen den beiden hindurch mich helle Augen hinter einer Brille anstarrten. Ich sah die Augen nur eine Sekunde lang, ebenso den rötlichen Bart und das weiße Halstuch über dem Revers des karierten Mantels; dann bremste der Zug ab, die beiden Langen rückten zusammen, und der Observateur verschwand aus meinem Blickfeld.
    Mir schien, als habe er mich geradezu ungehörig aufmerksam angesehen, so als wäre mit meiner Kleidung etwas nicht in Ordnung oder mein Gesicht beschmutzt. Für alle Fälle überprüfte ich, ob ich nicht die Mütze verkehrt herum aufgesetzt hatte. Als sich übrigens eine Minute später wieder ein Spalt zwischen den beiden Burschen bildete, schlummerte mein Beobachter friedlich, die Hände auf dem Bauch gefaltet; er war mittleren Alters, mit Metallbrille und kariertem Mantel, wie sie vor einigen Jahren modern gewesen waren. Ich weiß noch, diese Mäntel hatten mich dadurch verblüfft, dass man sie auch von links tragen konnte: Auf der einen Seite waren sie beispielsweise schwarz mit grauem Karo und gewendet grau mit schwarzem Karo.
    Diese flüchtige Episode hatte mich von meinen gastronomischen Visionen abgelenkt. Nun erinnerte ich mich daran, wie ich im Krankenhaus gelegen und einen Monat lang ungeheuer faden, mit Absicht zu Tode gekochten Fraß vorgesetzt bekommen hatte. Davon war ich so schwermütig geworden, dass die Ärzte Katja schließlich erlaubt hatten, mir ein kaltes Hähnchen Tabaka mitzubringen. Schrecklich, was dem vergifteten Kostja diesbezüglich bevorstehen mochte. Aber ich hatte keine Zeit mehr darüber nachzudenken, denn der Zug hielt an der

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