Gesammelte Werke 6
glaubte, der Computer würde sie in ihrem Tun bekräftigen und bejubeln, doch er verpasste ihr – peng! – Nullkommanullblutwurst! Mit dem Regenschirm ist sie auf die Leute dort losgegangen! … Ihr sitzt hier und habt keine Ahnung, ich aber war gestern in der Bannaja. Alles ist umzingelt, berittene Miliz … Michejitsch schlottert vor Angst und bereut schon, dass er das eingefädelt hat, er muss ja schließlich hingehen. Ich sage zu ihm: ›Michejitsch‹, sage ich, ›wovor fürchtest du dich? Wenn du willst, gebe ich dir meine Manuskripte …‹«
Ja, so ist er, unser Petenka Skorobogatow. Unser Allunionsdrops. Ich trank ein Gläschen Wodka und dachte darüber nach, dass nichts auf der Welt erfunden werden musste. Alles war schon erfunden. Und mir fiel ein, wie mir vor etwa fünfzehn Jahren der inzwischen verstorbene Anatoli Jefimowitsch die Idee zu seiner neuen Komödie anvertraut hatte. Die Handlung spielte in einem Schriftstellerheim, und irgendein Erfinder schleppte dort einen fantastischen Apparat an … Wie hieß er doch gleich? Es war ein so bombastischer Name … Ja! »Elital«! »Einstufungsgerät für literarisches Talent«. In ihrer Dummheit freuten sich die Schriftsteller zunächst – endlich erfahren nun alle, dass Iwanow eine Niete ist und ich ein Genie bin, dachten sie. Aber dann, als die Maschine ihnen die objektive Wahrheit bescherte … Jedenfalls haben sie sie wohl in ihre Einzelteile zerlegt und den Erfinder denunziert, mit allen daraus erwachsenden Folgen. Wie enttäuscht war Anatoli Jefimowitsch, als ich ihm unter Entschuldigungen und Rechtfertigungen Akutagawas Erzählung »Das Zoilusmaß« zu lesen gab, die er bereits 1916 geschrieben hatte und die Mitte der Dreißigerjahre bei uns auf Russisch erschienen war! Man braucht nichts zu erfinden. Alles, was man sich ausdenkt, ist entweder schon früher jemandem eingefallen, oder es geschieht in Wirklichkeit.
Ich hieb mit der Faust auf den Tisch, blickte Petenka Skorobogatow in seine Schweinsäuglein und zitierte so laut, dass der ganze Saal es hörte: »Seit es dieses Ding gibt, ist es aus mit all jenen Schriftstellern und Künstlern, die mit Hundefleisch handeln und es Hammel nennen.«
Danach stand ich auf und ging zur Toilette. Ich hatte schon tüchtig einen sitzen. Meine Wangen waren wie taub, und immerzu rutschte der Unterkiefer nach vorn. Für heute reichte es wohl. Es wurde Zeit, zum heimischen Herd zurückzukehren, zumal Katja mit den bestellten Einkäufen vorbeikommen konnte; außerdem wartete am heimischen Herd nicht weniger als eine halbe Flasche Kognak auf mich. Und da war auch noch etwas anderes zu erledigen. Nur was?
Während ich wieder ins Restaurant zurückging, fiel es mir ein. Telefonieren musste ich, mich nach dem Dichter Kostja Kudinow erkundigen, ob er nicht etwa abkratzte. Womöglich war er schon gestorben, derweil ich mit Petenka Skorobogatow, meinem Allunionsdrops, Wodka trank. Das wäre ungerecht, dachte ich.
Den Hörer in Kostjas Wohnung nahm seine Frau ab. Ihre Stimme klang wie immer, sogar ziemlich munter.
Ich stellte mich vor und fragte: »Na, wie geht’s denn Kostja?«
»Ach, schön, dass Sie anrufen, Felix Alexandrowitsch! Ich komme gerade von ihm, bin diesen Moment zur Tür herein. Felix Alexandrowitsch, er bittet Sie sehr herzlich, ihn zu besuchen.«
»Natürlich … Aber wie … Wie geht’s ihm denn?«
»Er ist außer Gefahr, Gott sei Dank. Sie schauen also bei ihm vorbei?«
»Ja …«, nuschelte ich. »Morgen um diese Zeit, wahrschein lich.«
»Nein, nein, Felix Alexandrowitsch, er bittet Sie, unbedingt noch heute zu kommen. Er hat ausdrücklich gesagt: Wenn Felix Alexandrowitsch anruft, richte ihm aus, er soll unbedingt heute noch kommen. Es ist sehr dringend, sehr wichtig.«
»Also gut, einverstanden«, erwiderte ich, und wir verabschiedeten uns.
Man sollte nie Gutes tun, dachte ich, während ich an meinen Tisch zurückging. Reicht man ihnen den kleinen Finger, nehmen sie die ganze Hand. Und kein Wort der Dankbarkeit. Den lieben langen Tag irre ich wegen dieses Simulanten durch Moskau – allein die Ängste, die ich seinetwegen ausgestanden habe! –, und abends, bitte sehr, fängt alles wieder von vorne an: Wie ein Kamel schlepp ich mich irgendwohin. Und kein Wort der Dankbarkeit …
Garik fehlte am Tisch, er war bereits zum Seminar gegangen, und auf seinem Stuhl saß Petkas Freund. Dessen Gesicht kannte ich, er war mir schon einige Male vorgestellt worden, doch an seinen Namen erinnerte
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