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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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gebrüstet hatte, dass man nicht mehr zurückkonnte, und einen Tag später der tobende Vater und die glühenden Ohren. Und all das nannte man eine glückliche Zeit: Ahnungslosigkeit, Begierden, Begeisterung … Schlimm, dachte er. Und fünfzehn Jahre später stellt sich plötzlich heraus, dass man noch genauso ahnungslos und unfrei ist wie in der Kindheit – ja noch viel ahnungsloser und unfreier, weil man jetzt glaubt, erwachsen zu sein, genug zu wissen und ausreichend Erfahrung gesammelt zu haben, um mit sich zufrieden zu sein und über andere urteilen zu können.
    Man sollte sich in Bescheidenheit üben, in Bescheidenheit und Demut, und immer bei der Wahrheit bleiben, lüge nie!, zumindest nicht dir selbst gegenüber. Aber es ist nicht leicht, demütig zu sein, wenn es ringsum von Idioten, Perversen und habgierigen Lügnern wimmelt, ja wenn selbst den Besten Makel anhaften wie Aussätzigen … Möchtest du noch einmal jung sein? Nein. Möchtest du noch fünfzehn Jahre leben? Ja. Denn das Leben ist schön. Selbst wenn man Schläge einstecken muss. Hauptsache, man hat Gelegenheit zurückzuschlagen … Gut, das reicht. Einigen wir uns darauf, dass das wahre Leben eine Existenzweise ist, die es dem Menschen ermöglicht zurückzuschlagen. Und jetzt gehen wir und sehen uns an, wie die jungen Leute heutzutage sind …
    Die Aula war ziemlich voll, und es herrschte der übliche Lärm, der jedoch sofort verstummte, als Bol-Kunaz Viktor auf die Bühne führte und ihn bat, unter dem riesigen Porträt des Präsidenten – ein Geschenk Dr. Quadrigas – an einem rot-weiß bespannten Tisch Platz zu nehmen.
    Dann trat Bol-Kunaz an den Bühnenrand und erklärte: »Heute haben wir Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem bekannten Schriftsteller Viktor Banew, der aus unserer Stadt stammt.«
    Er wandte sich zu Viktor. »Wie ist’s Ihnen lieber, Herr Banew: Können die Fragen vom Platz aus gestellt werden, oder sollen die Schüler sie aufschreiben?«
    »Das ist mir egal«, antwortete Viktor leichtsinnig. »Haupt sache, sie stellen recht viele Fragen.«
    »Dann beginnen Sie bitte.«
    Bol-Kunaz sprang von der Bühne und setzte sich in die erste Reihe. Viktor rieb sich die Augenbrauen und blickte sich im Saal um. Dort saßen etwa fünfzig Kinder: Jungen und Mädchen im Alter von zehn bis vierzehn Jahren, die ihn abwartend ansahen. Wahrscheinlich alles Wunderkinder, dachte er flüchtig. In der zweiten Reihe rechts entdeckte er Irma und lächelte ihr zu. Irma lächelte zurück.
    »Ich habe auch einmal dieses Gymnasium besucht«, begann Viktor.»Und einmal habe ich sogar auf dieser Bühne den Osrick gespielt. Da ich meine Rolle aber nicht konnte, musste ich mir meinen Text immer selbst ausdenken – es war der erste in meinem Leben, den ich verfasst habe, ohne bangen zu müssen, dass ich mir eine Fünf einhandle. Man sagt, die Schüler hätten es heute schwerer als zu meiner Zeit, es gebe neue Fächer und ihr müsstet das, was wir in drei Jahren gelernt haben, in einem Jahr bewältigen. Aber wahrscheinlich bemerkt ihr gar nicht, dass es schwerer geworden ist. Die Wissenschaftler gehen nämlich davon aus, dass das menschliche Hirn viel mehr Informationen aufnehmen kann, als man glaubt. Man muss nur wissen, wie man sie ihm einflößt …« Aha, dachte er, jetzt lande ich bei der Hypnopädie. Da aber reichte ihm Bol-Kunaz einen Zettel: »Von den Errungenschaften der Wissenschaft brauchen Sie uns nichts zu erzählen. Sprechen Sie mit uns wie mit Ihresgleichen. Valerians, sechste Klasse.«
    »Aha«, sagte Viktor. »Ein gewisser Valerians aus der sechs ten Klasse schlägt mir vor, mit euch zu sprechen wie mit meinesgleichen, und bittet mich, euch mit den Errungen schaften der Wissenschaft zu verschonen. Ich muss dir sagen, Valerians, dass ich tatsächlich vorhatte, die Errungenschaften der Hypnopädie darzulegen. Aber darauf kann ich auch gern verzichten, obwohl ich es für meine Pflicht halte, dir mitzuteilen, dass die meisten Erwachsenen, die ich zu meinesgleichen zähle, von der Hypnopädie nur eine sehr vage Vorstellung haben.« Da es sich im Sitzen nicht gut sprach, stand er auf und spazierte auf der Bühne hin und her. »Ich muss gestehen, Kinder, dass ich nicht gern vor Lesern spreche. Gewöhnlich weiß man nicht, was für Leser man vor sich hat, was sie von einem wollen und wofür sie sich interessieren. Darum versuche ich immer, ein Frage-und-Antwort-Spiel anzuregen. Manchmal macht das richtig Spaß. Lasst heute einmal mich mit einer

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