Gesammelte Werke 6
uns vor Mäusen kaum retten. Furchtbar!« Er winkte ab. »Lass uns gehen.«
Sie kehrten in die Hotelhalle zurück, und Teddy fragte den Pförtner, der schon wieder seinen Posten eingenommen hatte: »Na? Ist viel in die Brüche gegangen?«
»Nein, nein«, antwortete der Pförtner. »Es ist noch mal gut gegangen. Eine Stehlampe musste dran glauben, und die Wand hat was abgekriegt. Das Geld dafür hab ich dem letzten der Kerle abgenommen, da hast du’s.«
Teddy zählte im Gehen das Geld und begab sich ins Restaurant. Viktor folgte ihm. Im Saal herrschte wieder Ruhe. Der junge Mann mit der Brille und der Lange saßen bei ihrer Flasche Mineralwasser und kauten melancholisch an der abendlichen Ration. Diana hatte wieder ihren alten Platz eingenommen. Sie war sehr angeregt und schön und lächelte sogar dem mit am Tisch sitzenden Dr. Quadriga zu, den sie eigentlich nicht ausstehen konnte. Vor Dr. Quadriga stand eine Flasche Rum; er war jedoch noch nüchtern und bot einen seltsamen Anblick.
»Zum Siege!«, begrüßte er Viktor finster.»Schade, dass ich nicht wenigstens als Fähnrich dabei war.«
Viktor ließ sich in einen Sessel fallen.
»Schönes Ohr«, meinte Dr. Quadriga. »Wo hast du das aufgetrieben? Das leuchtet ja wie ein Hahnenkamm.«
»Kognak!«, verlangte Viktor. Diana schenkte ihm welchen ein. »Den Sieg verdanke ich einzig und allein ihr«, erklärte er und wies auf Diana. »Hast du für die Flasche bezahlt?«
»Der Flasche ist nichts passiert«, antwortete Diana. »Wofür hältst du mich? Aber wie der weggesackt ist! Gott, war das schön! Wenn’s doch immer so wäre …«
»Na dann«, sagte Dr. Quadriga abermals finster und goss sich ein volles Glas Rum ein.
»Er ist umgefallen wie eine Holzpuppe«, fuhr Diana fort. »Wie ein Kegel. Viktor, ist an dir alles heil? Ich habe gesehen, dass sie dich mit Füßen getreten haben.«
»Das Wichtigste ist heil geblieben«, antwortete Viktor. »Darauf habe ich aufgepasst.«
Dr. Quadriga schlürfte die letzten Tropfen Rum aus seinem Glas – wie ein Ausguss, der nach dem Abwasch gurgelnd die Reste des Spülwassers verschlingt. Seine Augen trübten sich sofort ein.
»Wir kennen uns«, sagte Viktor hastig. »Du bist Dr. Rem Quadriga, und ich bin der Schriftsteller Banew …«
»Hör auf«, beschwerte sich Dr. Quadriga. »Ich bin völlig nüchtern. Aber ich werde hier noch zum Säufer. Das ist das Einzige, was ich weiß. Sie werden’s nicht glauben, aber als ich vor einem halben Jahr hierherkam, habe ich nichts getrunken. Meine Leber ist krank, ich habe einen Darmkatarrh und auch etwas mit dem Magen. Ich dürfte eigentlich keinen Tropfen trinken, saufe aber rund um die Uhr. Kein Mensch braucht mich. Das ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht passiert. Nicht mal Briefe bekomme ich hier, weil meine alten Freunde Schreibverbot haben und meine neuen Freunde Analphabeten sind …«
»Bitte keine Staatsgeheimnisse«, warnte Viktor. »Ich bin ein unzuverlässiges Subjekt.«
Dr. Quadriga füllte noch einmal sein Glas und trank den Rum wie kalt gewordenen Tee in kleinen Schlucken.
»So wirkt er besser«, erklärte er. »Das musst du mal ausprobieren, Banew. Vielleicht kommt’s dir auch noch mal zupass. Sie brauchen mich gar nicht so anzusehen!«, herrschte er plötzlich Diana an. »Ich muss doch bitten, behalten Sie Ihren Abscheu gefälligst für sich. Wenn Ihnen nicht passt, wie ich …«
»Nicht so laut«, bat Viktor, und Dr. Quadriga ließ den Kopf sinken.
»Niemand versteht mich«, klagte er. »Kein Mensch. Nur du verstehst mich ein bisschen. Hast mich immer verstanden, aber du bist auch ein Grobian, Banew, du hast mich oft verletzt. Innerlich bin ich schon ganz wund. Mich zu beschimpfen traut sich jetzt keiner mehr, ich werde nur noch gelobt. Und jedes Lob von so einem Schweinehund versetzt mir eine neue Wunde. Aber das ist jetzt vorbei. Sie wissen’s bloß noch nicht … Hör zu, Banew! Du hast eine wunderbare Frau, und ich habe ein Anliegen an dich: Bitte sie einmal, in mein Atelier zu kommen. Nicht doch, du Dummkopf! Als Modell! Du begreifst überhaupt nichts, so ein Modell suche ich schon seit zehn Jahren …«
»Eine Allegorie«, erläuterte Viktor für Diana. »›Der Präsident und die Ewig Junge Nation‹ …«
»Blödmann«, meinte Dr. Quadriga traurig. »Ihr glaubt alle, dass ich mich verkaufe … Na ja, früher stimmte das auch! Aber jetzt male ich keine Präsidenten mehr, sondern ein Selbstporträt! Verstehst du?«
»Nein«, bekannte
Weitere Kostenlose Bücher