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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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rissen sie im Gang zwischen den Bänken zu Boden. Sie erreichten nicht, was sie wollten, vielleicht aus Angst, vielleicht aus Unerfahrenheit; sie befleckten ihr nur ausgiebig Bauch und Beine und liefen dann auseinander. Katja blieb Jungfrau. Physisch. Doch psychisch?
    Als sie sich in F. Sorokin verliebte, war sie schon eine Frau. Mit wem es bei ihr das erste Mal gewesen war, sagte sie nicht, und ihm wäre nie in den Sinn gekommen, danach zu fragen.
    An einem heißen Tag Anfang September kehrte F. Sorokin aus der Schule zurück und ging in die Wohnung 19, um sich von Anastassia Andrejewna seinen Schlüssel zu holen. Er traf sie nicht an, doch sie hatte einen Zettel hinterlassen, auf dem stand, dass der Schlüssel bei der Nachbarin liege, bei Katja. In dem halb dunklen Flur voller Plunder fand er schließlich Katjas Tür und klopfte. Die Tür tat sich augenblicklich auf, er sah sie – und verlor die Fassung.
    Letzten Endes rechtfertigt das Ziel die Mittel, und in der Liebe sind, wie es heißt, alle Mittel erlaubt. Katja hatte ihn natürlich erwartet und sich entsprechend zurechtgemacht. Er aber war nicht im Geringsten darauf vorbereitet gewesen. Später begriff er, dass nicht viel gefehlt hätte, und er wäre Hals über Kopf davongestürzt (oder in Ohnmacht gefallen).
    Ächzend und stöhnend erhob ich mich, kroch unter das Sofa und holte aus der hintersten, finstersten Ecke eine Kippe hervor, an die ich schon das ganze Jahr über gedacht hatte. Ich nahm sie mit in die Küche und zündete sie an, rauchte sie stehend am Fenster und wunderte mich flüchtig, dass der Tabakrauch keine Wirkung auf mich hatte, so als zöge ich nicht Rauch in die Lunge, sondern warme, duftende Luft.
    … Katja war dünn gewesen, mit schmalen Schultern und Hüften, die Brüste rund und hervorstehend. Gehüllt in einen weiten grauen Kittel, wie die Waisenhauszöglinge sie trugen, nahm sie Sorokin schweigend bei der Hand und führte ihn in ihr Zimmerchen. Dann ging sie zur Tür zurück, schloss sie leise, aber fest, schob den Riegel vor und drehte sich zu ihm um. Sie ließ die Arme sinken und sah ihn an. Ihr Kittel öffnete sich, und darunter trug sie nichts als ihre nackte Haut. Sorokin aber bemerkte vor allem, dass sie ganz rot war, von der Stirn bis zur Brust, und erst danach alles Übrige. Was für ein Anblick für einen Jungen, der zwar bereit war, nackte Frauen bis dahin aber nur von Rubens-Reproduktionen kannte! Oder von pornografischen Fotos, die ihm Borka Kutusow gezeigt hatte (im August 1941 von einer Granate in Stücke gerissen).
    Sie trafen sich nicht täglich, aber regelmäßig: Am vereinbarten Tag, zur verabredeten Stunde, auf die Minute genau jagte F. Sorokin in lautlosen Sätzen zur Wohnung 19 hinauf. Gewöhnlich war es nachmittags, gegen drei oder vier Uhr, gleich nach der Schule. Er klopfte oder klingelte nicht, die Tür tat sich auf und Katja nahm ihn in ihrem Waisenhauskittel über dem nackten Körper bei der Hand, führte ihn in ihr Zimmerchen, und sie sperrten sich ein. Dann stillten sie schnell und gierig ihren Hunger aneinander, und zwanzig Minuten später huschte F. Sorokin wieder lautlos und vorsichtig, wie ein Indianer auf dem Kriegspfad, in den halb dunklen Korridor hinaus, ertastete, wie gewohnt, das französische Türschloss und stand im nächsten Moment auf dem Treppenabsatz. Katja und er sprachen wenig und nur flüsternd miteinander, und während dieser ganzen, gleichförmig verlaufenden, doch unglaublich reichen Geschichte ihrer Liebe waren sie nie länger als eine halbe Stunde beisammen.
    Und ihre Geschichte war tatsächlich ungeheuer reich – für F. Sorokin ohne Zweifel, gewiss aber auch für Katja. Schon wenn er die Treppe von Wohnung 19 hinunterging, packte ihn die Sehnsucht nach Katja; ein, zwei Tage später wich die Sehnsucht großer Ungeduld. Nahte dann die vereinbarte Zeit, wurde er innerlich von hektischer Freude geschüttelt, und gleichzeitig wuchs die Furcht, ihr Beisammensein könnte womöglich nicht stattfinden (was gelegentlich vorkam). Dann waren sie zusammen, und darauf folgten wieder Sehnsucht, Ungeduld, Freude und Furcht – dann das nächste Beisammensein. So ging es Woche für Woche, Herbst, Winter, Frühling – und dann kam der verfluchte Sommer 1941. Kein einziges Mal hatte F. Sorokin zu viel von Katja, keinmal wünschte er sich vor dem Treffen, es möge nicht stattfinden. Und ihr ging es offensichtlich genauso.
    Gerade zu dieser Zeit, in der neunten Klasse, nahm F. Sorokin erfolgreich

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