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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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und offensichtlicher Blödsinn, den ich rede, wird höflich überhört.
    Vor allem aber mag ich es, wenn das nicht in Moskau oder anderen Ballungsgebieten stattfindet, sondern in entlegenen Gegenden, irgendwo an der Grenze der Zivilisation, wo die Ingenieure, Techniker und Operatoren – alles ehemalige Studenten – ganz ausgehungert sind nach Kultur, nach Europa, schlicht: nach einem intelligenten Gespräch.
    Ich gab also Kostja mein Einverständnis, erkundigte mich, wann der Abflug sei, wer noch zur Brigade gehöre und wo man uns einweisen werde. Als ich ihm schon die Hand zum Abschied reichte, ergriff er plötzlich mit zwei Fingern meinen Daumen, kniff listig die Augen zusammen und säuselte keck: »Bist ein waghalsiger Mensch, Felix Alexandrowitsch! Das hast du geschickt gemacht! Aber meinst du nicht, dass man es dir heimzahlen wird, wenn die Zeit gekommen ist, he?«
    Er blinzelte schelmisch, schüttelte meine schlaff gewordene Hand, und ich spürte, wie sich in mir vor böser Vorahnung alles zusammenzog. Vielleicht, weil gerade er das gesagt hatte. Ich weiß es nicht. Aber ich dachte gleich, dass diese idiotische Geschichte mit dem … wie hieß es doch … mit diesem teuflischen Elixier, die ich mir selbst aufgehalst hatte, noch nicht vorbei war … Nichts war vorbei: Was nützte es, dass ich meinen Aufpasser im karierten Wendemantel vergessen hatte – sie hatten mich nicht vergessen! Die Geschichte ging weiter, und wie sich nun zeigte, hatte ich einen geschickten Zug getan, anscheinend jemanden hereingelegt, etwas gewagt … Ich Trottel, und nun konnte man es mir heimzahlen. Und natürlich würde man es mir heimzahlen, ganz bestimmt!
    Jesus, Maria und Josef! Zur Hölle mit diesem Kudinow! Mit seiner geheimnisvollen Art zu reden, seinen Anspielungen und halben Anspielungen … Aber nach einer langen Minute des Zublinzelns, Augenzusammenkneifens und Hände schüttelns erfuhr ich, dass er etwas ganz anderes meinte.
    Anfang Dezember nämlich hatte ein befreundeter Redakteur des Moskauer Playboy mir ein Manuskript Babachins, des Vorsitzenden unserer Wohnungskommission, zur Begutachtung gebracht. Er hatte es mir überreicht mit den Worten: »Drisch ihm eins über, und hab keine Angst: Das Gutachten ist nur für den internen Gebrauch, und unser Chef steht wegen dieses Babachins sowieso schon kurz vor dem Herzinfarkt.« Babachins Erzählung war in der Tat grauenhaft, und ich drosch ihm eins über. Mit Genuss sogar. Und unmittelbar vor Neujahr wurde Babachin mit Pauken und Trompeten seines Postens enthoben. Natürlich nicht, weil er Erzählungen schrieb, die selbst einen so abgebrühten Mann wie den Chefredakteur des Moskauer Playboy zum Infarkt treiben können. Nein, abgesetzt wurde er,weil er »das Brot der Willkür gegessen und den Wein des Diebstahls getrunken« hatte. Und jetzt bildete sich dieser Dummkopf Kostja Kudinow ein, ich hätte das alles vorausgesehen und schon Anfang Dezember gewagt, gegen Babachin aufzutreten, obwohl sich das Blatt damals noch hätte anders wenden können.
    Mehr noch: Dieser Dummkopf Kostja Kudinow hielt mein Gutachten für heroisch, aber letztlich auch für unvernünftig, weil er – nicht ohne Grund – annahm, dass Leute wie Babachin nicht aussterben, sondern wiederkehren und niemals etwas vergessen.
    Doch wem gefällt es heutzutage, als unvernünftig und heroisch zu gelten? Und doch war ich Kostja dankbar, da er mein Abenteuer mit dem Lebenselixier offenbar vergessen hatte. So klopfte ich ihm nur herablassend auf die Schulter und gab ihm zu verstehen, dass das alles Fliegendreck sei und mir bei meinen Beziehungen kein Babachin etwas anhaben könne. Daraufhin überließ ich ihn seinen Überlegungen, welche Vorteile er wohl von nun an aus der guten Bekanntschaft mit einer so bedeutenden Persönlichkeit wie mir ziehen könnte, und schritt langsam, in gewissem Sinne sogar majestätisch, die Treppe hinunter.
    Dennoch kam ich nicht ohne den karierten Mantel davon … Er rief sich in Erinnerung, wenn auch auf ziemlich unerwartete Weise.
    Als ich an der Station Kropotkinskaja aus der Metro kam, erblickte ich neben dem Zigarettenkiosk einen dieser rot-gelben Krankenwagen des Medizinischen Notfalldienstes – eine der größten Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Die hinteren Türen standen weit offen, und zwei Milizionäre bugsierten gerade den karierten Wendemantel in den Innenraum. Der schlug mit den Hinterbeinen aus – oder er schlug nicht aus, sondern versuchte, sich mit den

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