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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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Füßen abzustützen. Das Gesicht sah ich nicht. Überhaupt sah ich weiter nichts, wenn ich von der Brille absah – einem metallenen Brillenrahmen, den ein dritter Milizionär mit zwei Fingern festhielt und geschäftig an mir vorbeitrug, bevor er hinter dem Krankenwagen verschwand. Dann klappten die Türen zu, der Wagen stieß eine Wolke abscheulichen Gestanks aus und rollte los. Das war auch schon das ganze Abenteuer, und ich konnte niemanden fragen, was hier passiert war, weil die Zeiten, in denen solche Vorfälle Zuschauer anzogen, vorüber waren. So ging ich meines Weges.
    Ich betrat den Klub wie geplant um Viertel vor drei. Am Eingang saß diesmal nicht die kurzsichtige Marja Trofimowna, sondern eine verhältnismäßig junge Rentnerin, die gerade bei uns angefangen hatte, aber schon alle kannte, zumindest mich. Wir grüßten uns, ich sagte ihr Bescheid, dass ich eine Dame erwartete, legte ab und schlenderte hinauf zur Aufnahmekommission. Dort saß Sinaida Filippowna mit ihren dunklen Augen und dem blassen Gesicht und war wie immer sehr beschäftigt und voller Sorgen. Sie zeigte auf einen Schrank, in dem in drei Fächern, zu einzelnen Stapeln sortiert, die Arbeiten der Bewerber lagen. Erstaunlich, dass acht Leute so eine Menge veröffentlicht hatten!
    »Ich habe Ihnen Verschiedenes herausgesucht, Felix Alexandrowitsch«, sagte Sinaida Filippowna und lächelte mir zerstreut zu. »Sie bevorzugen doch militär-patriotische Themen? Dort, der Stapel, der ganz außen liegt, ein gewisser Chalabujew. Ich habe es schon notiert.«
    Kläglich und langweilig sah der Stapel aus, der den Geist und das Denken des mir unbekannten Chalabujew verkörperte. Drei schmale Ausgaben des Fähnrich mit akkurat hervorschauenden Papierlesezeichen sowie ein einsames, ebenfalls schmales Bändchen aus dem Nordsibirischen Verlag, eine Novelle mit dem Titel »Wir hüten den Himmel!«.
    Wer hat dich bloß empfohlen, Chalabujew, dachte ich. Wer war so voreilig, dich mit deinen drei Erzählungen und der kleinen Novelle unserer Sitzung zum Fraß vorzuwerfen? Es ist ja nicht einmal eine Novelle, sondern eher eine leicht belletrisierte Skizze über das Leben der Raketentruppen oder Flieger. Unsere Leibgardisten werden dich mit Haut und Haar verschlingen, sofern du dich nicht vorher ihres Wohlwollens versichert hast, natürlich. Aber selbst wenn du das tust, Chalabujew, sind da noch unsere Spezialisten für die französische höfische Literatur des 18. Jahrhunderts! Solltest du jedoch schlau genug sein, auch ihre Gunst zu erwerben, dann Ruhm und Ehre dir, Chalabujew, denn dann wirst du es bei uns weit bringen, und es ist gut möglich, dass wir uns in fünf Jahren alle vor deiner Schwelle drängen werden, um von dir das Pachtrecht für eine Datsche bei Moskau zu erbetteln.
    Mit einem Seufzer klemmte ich mir Chalabujew unter den Arm und ging, nachdem ich mich von Sinaida Filippowna höflich verabschiedet hatte, geradewegs ins Restaurant.
    Obwohl es um diese Tageszeit wenig gefüllt war, sagte mir nur eins der freien Tischchen zu. Ich setzte mich und bemerkte rechts von mir Witja Koschelkow, einen unserer bekanntesten Humoristen und Autor zahlreicher Sketche; er saß mit gebundener Fliege bei einer Tasse Kaffee und las mit unnahbarer Miene den Morning Star .
    Linker Hand schwatzten, unablässig kauend, zwei Damen nicht bestimmbaren Alters, die durchaus appetitlich aussahen – nach Shora Naumows Klassifizierung Mau oder Wau, also Geliebte oder Gattinnen von Autoren.
    Und am Tisch direkt vor mir bewirtete Apollon Apollonowitsch Wladimirski gerade eine seiner zahlreichen Enkelinnen, vielleicht sogar Urenkelinnen mit einem Mittagsgericht und Champagner. Er bemerkte mich, und wir begrüßten uns.
    Er sah immer noch genauso aus, wie ich ihn vor fast fünfundzwanzig Jahren kennengelernt hatte: Auf dem langen, faltigen Hals, der aussah wie der eines Leguans, saß ein kleiner kahler Kopf – wie ein Luftballon. Er hatte sehr große, schwarze Augen, die fast nur aus Pupillen bestanden, ohne Iris, dazu einen schlaffen Mund und ein unregelmäßig klapperndes künstliches Gebiss, das ein eigenständiges Leben zu führen schien. Seine Bewegungen waren fließend wie die eines Dirigenten, und er hatte die hohe, schrille Stimme eines Menschen, den die Meinung seiner Umwelt nicht interessiert. Er trug einen altmodischen Anzug, der sicher schon so alt war wie unser Jahrhundert und etwas zu kurze Ärmel hatte; darunter sahen blendend weiße Manschetten hervor. Er kam mir

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