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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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einem Gemisch aus Pyrethrum und Chlorophos, und der Filmvorführer des Instituts, Sanja Drosd, schwor Stein und Bein, einmal eine Fledermaus gesehen zu haben, die dem Genossen Kaderleiter wie aus dem Gesicht geschnitten war.
    In einer tiefen Nische, aus der Grabeskälte zu mir herüberwehte, stöhnte jemand und rasselte mit seinen Ketten. »Lassen Sie das bleiben«, sagte ich streng. »Was soll das Verwirrspiel? Schämen Sie sich!« In der Nische wurde es still. Sorgfältig rückte ich den verschobenen Teppich zurecht und stieg die Treppe hinauf.
    Von der Straße betrachtet, sah das Institut aus, als sei es zweistöckig. In Wirklichkeit aber hatte es über zwölf Etagen. Höher war ich noch nicht gekommen, weil der Fahrstuhl ständig repariert wurde und ich noch nicht fliegen konnte. Auch die Fassade mit den zehn Fenstern war – bei Fassaden nicht unüblich – eine optische Täuschung. Vom Vestibül aus erstreckte sich das Institut sicherlich einen Kilometer nach rechts und links; dennoch gingen sämtliche Fenster auf die krumme Gasse mit dem Kornspeicher hinaus. Das verblüffte mich immer wieder. Anfangs lag ich Roman ständig in den Ohren, er solle mir erklären, wie sich dieses Phänomen mit den klassischen (oder wenigstens mit den relativistischen) Vorstellungen von den Eigenschaften des Raumes vereinbaren lasse. Aus seinen Erklärungen wurde ich zwar nicht schlau, gewöhnte mich aber mit der Zeit daran und hörte auf mich zu wundern. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sich in zehn bis fünfzehn Jahren jedes Schulkind in der allgemeinen Relativitätstheorie besser auskennen wird als der Spezialist von heute. Dafür braucht man nämlich gar nicht zu begreifen, wie die Krümmung von Raum und Zeit zustande kommt, es genügt, in der Vorstellung aufzuwachsen.
    Die ganze untere Etage nahm die Abteilung für Lineares Glück ein. Dies war das Reich Fjodor Simeonowitsch Kiwrins; hier roch es nach Äpfeln und Nadelwäldern, hier arbeiteten die hübschesten Mädchen und die nettesten Jungs. Hier gab es keine finsteren Fanatiker, Kenner und Adepten der schwarzen Magie, hier riss sich niemand wutentbrannt und unter Schmerzen die Haare aus, niemand murmelte Verwünschungen, die unanständigen Zungenbrechern glichen, und niemand röstete um Mitternacht, bei Vollmond, am Johannistag oder zu Unglücksdaten lebendige Kröten und Krähen. Hier setzte man auf Optimismus. Hier tat man alles, was im Rahmen der weißen, der submolekularen und der Infraneuronenmagie möglich war, um die Stimmung jedes einzelnen Menschen wie auch menschlicher Kollektive zu heben. Man kondensierte ein fröhliches, unbeschwertes Lachen und verschickte es in alle Welt, entwickelte und erprobte Verhaltens- und Beziehungsmuster, die die Freundschaft festigten und Zwietracht auslöschten; sublimierte Extrakte von Trostspendern, die kein Molekül Alkohol oder andere Drogen enthielten. Im Augenblick bereitete man einen universellen transportablen Zornbrecher für den Feldversuch vor und entwickelte neue Sorten seltener Legierungen von Herz und Verstand.
    Ich öffnete die Tür zum zentralen Saal und genoss von der Schwelle aus den Anblick einer gigantischen Apparatur zum Destillieren des Kinderlachens, die eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Van-de-Graaf-Generator hatte, nur dass sie im Gegensatz zu diesem völlig geräuschlos lief und obendrein duftete. Laut Instruktion musste ich nun die beiden großen weißen Pulthebel betätigen, damit der goldene Glanz im Saal erlosch und alles dunkel, kalt und leblos wurde. Kurz gesagt, die Instruktion verlangte, dass ich hier den Strom abschaltete. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, trat ich in den Korridor zurück und schloss die Tür hinter mir. In Fjo dor Simeonowitschs Labor den Strom abzuschalten wäre mir vorgekommen wie eine Sünde.
    Ich ging langsam den Korridor entlang, betrachtete die lustigen Zeichnungen an den Labortüren und stieß an einer Ecke auf den Hausgeist Tichon, der die Zeichnungen anfertigte und allnächtlich austauschte. Wir begrüßten uns mit Handschlag. Tichon war ein netter grauer Hausgeist aus dem Bezirk Rjasan, den Wij wegen eines Vergehens nach Solowetz verbannt hatte: Entweder hatte er jemanden nicht nach Vorschrift gegrüßt oder sich geweigert, eine gekochte Viper zu essen … Fjodor Simeonowitsch hatte sich seiner angenommen, ihn gewaschen und gekämmt und anschließend von seiner Trunksucht geheilt; seitdem fühlte sich Tichon hier, in der ersten Etage, wie zu Hause. Er

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