Gesammelte Werke 6
Bezirk Aufsehen erregt. Und der Artikel »Der Zauberer aus Solowetz« war sogar in einer überregionalen Zeitschrift veröffentlicht worden.
Als der Kadaver in den nächsten Paroxysmus der Zufriedenheit verfiel und einschlief, steckten ihn Wybegallos in zwischen herbeigeeilte Laboranten hastig in einen schwarzen Anzug und schoben ihm einen Stuhl unter: Die Laboranten hatte man kurzerhand aus einer Silvesterfeier gerissen, und so waren sie ziemlich übel gelaunt. Die Korrespondenten stellten Wybegallo neben den Kadaver, legten seine Hände auf dessen Schultern, stellten die Objektive ein und baten ihn, in seinen Ausführungen fortzufahren.
»Was ist die Hauptsache?«, röhrte Wybegallo bereitwillig. »Die Hauptsache ist das Glück des Menschen. In Klammern sei angemerkt: Das Glück ist ein menschlicher Begriff. Was aber ist, philosophisch betrachtet, ein Mensch, Kollegen? Ein Mensch ist ein Homo sapiens, der kann und will. Der, tjä, alles kann, was er will, und alles will, was er kann. N’est-ce pas, Kollegen? Und wenn er, das heißt der Mensch, alles kann, was er will, und alles will, was er kann, dann ist er glücklich. So definieren wir ihn. Und was haben wir hier vor uns, Genossen? Es ist ein Modell, ein Modell, das will, und das ist gut. Sozusagen excellent, exquis, charmant . Außerdem, Genossen, sehen Sie selbst, dass es auch kann. Und das bedeutet, dass es, tjä, also: dass es glücklich ist. Somit ist dies ein metaphysischer Übergang vom Unglück zum Glück, und das wundert uns gar nicht, denn der Mensch, tjä, wird nicht glücklich geboren, nein, er wird erst mit der Zeit zu einem glücklichen Geschöpf. Nun erwacht es … Es will. Und deshalb ist es vorläufig unglücklich. Aber es kann, und dieses ›es kann‹ bewirkt einen dialektischen Sprung. Ja ja! Sehen Sie nur! Sehen Sie, wie es kann? Ach, du mein Bester, ach, du meine Herzensfreude! Ja ja! Und wie es kann! Sogar zehn bis fünfzehn Minuten … Und Sie, Genosse Zucht, legen die Fotokamera besser beiseite und nehmen die Filmkamera zur Hand – wir haben es hier nämlich mit einem Prozess zu tun. Alles ist hier in Bewegung! Die Ruhe ist bei uns relativ; nur die Bewegung ist – ganz, wie es sein soll – absolut. Jawohl. Nun konnte es also und geht gleich dialektisch zum Glück über, das heißt zur Zufriedenheit. Sehen Sie, es schließt die Augen. Es genießt. Es fühlt sich wohl. Ich gebe Ihnen die wissenschaftliche Bestätigung, dass ich gern mit ihm tauschen würde. Im Moment natürlich. Schreiben Sie ruhig alles auf, was ich sage, Genosse Scharfblick, und geben Sie’s mir nachher. Ich sehe es durch, ebne hie und da ein bisschen und setze Fußnoten ein. Nun schlummert es also, aber das ist noch nicht alles. Die Bedürfnisse sollen sowohl in die Tiefe als auch in die Breite gehen. Also ist dies der einzig richtige Prozess. On dit, que Wybegallo sei gegen die geistige Welt. Aber damit will man mich natürlich nur abstempeln, Kollegen. Es ist längst an der Zeit, solche Manieren in der wissenschaftlichen Diskussion abzustreifen. Wir wissen alle, dass das Materielle vor dem Geistigen kommt. Plenus venter non studet libenter. Was wir, angewandt auf diesen Fall, folgendermaßen übersetzen: Wer Hunger hat, denkt nur ans Essen …«
»Umgekehrt«, sagte Roman.
Eine Zeit lang starrte Wybegallo ihn mit leerem Blick an, dann sagte er: »Diesen Einwurf, Genossen, weisen wir empört als undiszipliniert zurück. Wir lassen uns nicht von der Hauptsache – der Praxis – ablenken. Ich fahre fort und komme nunmehr zur nächsten Etappe des Experiments.
Erläuterung für die Presse: Ausgehend von der materialistischen Idee, dass eine vorübergehende Befriedigung der materiellen Bedürfnisse erfolgt ist, kommen wir zur Befriedigung der geistigen Bedürfnisse. Das heißt zu Film und Fernsehen, zum Anhören von Volksmusik, zum Selbersingen oder einer Buchlektüre – beispielsweise des ›Krokodils‹ – oder einer Zeitung. Doch vergessen wir nicht, Genossen, dass es dazu gewisser Fähigkeiten bedarf, während die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse ohne besondere Fähigkeiten auskommt – sie sind immer vorhanden, weil die Natur der Lehre des Materialismus folgt. Zu den geistigen Fähigkeiten dieses Exemplars können wir im Augenblick noch nichts sagen, denn sein rationaler Kern ist die Unzufriedenheit bezüglich des Magens. Aber wir werden seine geistigen Fähigkeiten gleich zutage fördern.«
Die übellaunigen Laboranten bauten nun auf den Tischen
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