Gesammelte Werke 6
auseinanderstehenden Ohren drehten sich wie Flugzeugradargeräte langsam um eine Achse.
»Ist noch eine Frage gestattet?«, meldete sich Roman.
»Bitte«, erwiderte Wybegallo mit nachsichtig gelangweilter Miene.
»Amwrossi Ambrosjewitsch«, begann Roman. »Was passiert, wenn er alles konsumiert hat?«
Wybegallos Augen funkelten zornig.
»Ich bitte alle Anwesenden, sich diese provokatorische Frage gut zu merken. Sie riecht meilenweit nach Malthusianismus, Neomalthusianismus, Pragmatismus, Existen tio…oa…nalismus und nach einem Zweifel an der unerschöpf lichen Kraft der Menschheit. Was wollen Sie mit Ihrer Frage ausdrücken, Genosse Oira-Oira? Dass in unserer wissenschaftlichen Institution ein Moment, eine Krise, ein Rückschritt eintreten kann, bei dem es unseren Verbrauchern an Konsumgütern mangelt? Das ist nicht schön, Genosse Oira-Oira! Und sehr unbedacht! Wir können nicht zulassen, dass Sie unserer Arbeit solch einen Stempel aufdrücken und ein schlechtes Licht darauf werfen. Und wir werden es auch nicht zulassen, Genossen.« Er angelte nach seinem Taschentuch und rieb sich den Bart trocken.
G. Scharfblick stellte die nächste Frage und schnitt dabei vor lauter geistiger Anstrengung Grimassen: »Ich bin natür lich kein Fachmann. Aber welche Zukunft hat dieses Modell? Soviel ich verstehe, verläuft das Experiment erfolgreich. Aber es verkonsumiert wirklich eine Menge.«
Wybegallo lächelte bitter.
»Da haben Sie’s, Genosse Oira-Oira«, sagte er. »Genau so entstehen die abscheulichsten Sensationen. Sie haben eine unbedachte Frage gestellt. Und schon ist der Mann auf der Straße desorientiert. Er blickt auf das falsche Ideal … Sie blicken auf das falsche Ideal, Genosse Scharfblick!« Mit diesen Worten wandte er sich direkt an den Korrespondenten. »Das Modell stellt nämlich eine bereits überwundene Etappe dar! Hier haben Sie das Ideal, auf das Sie jetzt blicken müssen!« Er trat an den zweiten Autoklav und legte die rötlich behaarte Hand gegen die polierte Seitenwand. Sein Bart ragte angriffslustig in die Höhe. »Das hier ist unser Ideal!«, röhrte er. »Oder, genauer gesagt: Es ist das Modell unseres Ideals. Wir haben hier den universellen Konsumenten, der alles will und folglich auch alles kann. In ihm sind sämtliche Bedürfnisse angelegt, die existieren. Und all diese Bedürfnisse kann er befriedigen, und zwar mithilfe unserer Wissenschaft. Erläuterung für die Presse: Das Modell des universellen Konsumenten, das sich in diesem Autoklav oder, wie wir sagen, in diesem Selbsteinschließer befindet, wird unbegrenzt wollen. Wir, Genossen, sind bei aller Selbstachtung dagegen Nullen. Will es doch Dinge, die wir uns überhaupt nicht vorstellen können.Und es erwartet von der Natur keine Almosen, sondern nimmt sich mit seinen materiell-magischen Kräften von ihr, was es zu seinem Glück, das heißt zu seiner vollkommenen Zufriedenheit, braucht. Dieses Modell wird unbeschreiblich glücklich sein. Es wird weder Hunger noch Durst, weder Zahnschmerzen oder persönlichen Ärger kennen. All seine Bedürfnisse werden im Augenblick ihres Entstehens befriedigt werden.«
»Verzeihung«, meldete sich Edik höflich. »Werden all seine Bedürfnisse materieller Art sein?«
»Natürlich!«, brüllte Wybegallo zur Antwort. »Die geistigen Bedürfnisse entwickeln sich dann entsprechend. Ich sagte es bereits: Die geistigen Bedürfnisse sind umso vielfältiger, je zahlreicher die materiellen Bedürfnisse sind. Es wird ein Geistesriese! Eine Koryphäe!«
Ich sah mich unter den Anwesenden um. Viele von ihnen waren sprachlos. Die Korrespondenten schrieben leidenschaftlich mit. Manche Mitarbeiter blickten mit einem seltsamen Gesichtsausdruck bald auf den Autoklav, bald auf den unermüdlich schlingenden Kadaver. Stella lehnte ihre Stirn an meine Schulter und flüsterte schluchzend: »Ich geh hier weg, ich kann nicht mehr, ich gehe weg …« Und auch ich glaubte allmählich zu begreifen, was Roman befürchtet hatte. Ich sah einen riesigen Schlund vor mir, in dem, von magi schen Kräften angezogen, Tiere, Menschen, Städte, Kontinente, Planeten und Sonnen verschwanden.
»Amwrossi Ambrosjewitsch«, wandte sich Roman erneut an den Professor. »Kann der universelle Konsument einen Stein erschaffen, den er trotz des größten Bedürfnisses nicht wird heben können?«
Wybegallo überlegte einen Augenblick und erwiderte:
»Das ist, tjä, kein materielles Bedürfnis, sondern eine dumme Laune. Und ich habe meine
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