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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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gemeinsam mit zwei missglückten, an den Ohren behaarten Doubles auf dem Vorführstand eine Maschine mit Sattel und Pedalen aufbaute, die an einen Hometrainer für Übergewichtige erinnerte. Ich ließ mich abseits von der Menge in einer Ecke nieder, zückte Notizbuch und Stift und setzte eine interessierte Miene auf.
    »Nun«, sagte das Akademiemitglied. »Ist alles bereit?«
    »Ja, Maurice Johannowitsch«, erwiderte Sedlovoi. »Wir sind so weit.«
    »Dann könnten wir eventuell anfangen? Ich vermisse allerdings Smoguli …«
    »Er ist auf Dienstreise, Maurice Johannowitsch«, schallte es aus dem Saal.
    »Ach ja, ich erinnere mich. Die exponentiellen Forschungen? Aha … Na schön. Heute wird uns Louis Iwanowitsch Sedlovoi einen kurzen Bericht über mögliche Typen von Zeit maschinen geben. Ist das richtig, Louis Iwanowitsch?«
    »Äh … Eigentlich wollte ich meinem Vortrag den Titel geben …«
    »Na gut. Geben Sie ihm selbst einen Titel.«
    »Ich danke Ihnen. Äh … Ich wollte ihm den Titel geben: ›Die Realisierbarkeit einer Zeitmaschine für die Fortbewegung in künstlich geschaffenen Zeiträumen‹.«
    »Sehr interessant«, sagte das Akademiemitglied. »Aber mir ist, als hätte es mal den Fall gegeben, wo einer unserer Mitarbeiter …«
    »Verzeihung, darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen.«
    »Ach so … Na, bitte, bitte.«
    Anfangs war ich ganz bei der Sache. Ja, ich ließ mich sogar begeistern. Es stellte sich heraus, dass sich hier ein paar Jungs mit hochinteressanten Dingen befassten. Ein paar von ihnen schlugen sich anscheinend – wenn auch ergebnislos – bis zum heutigen Tag mit dem Problem der Fortbewegung in der physikalischen Zeit herum. Dafür aber hatte jemand – einer von den Alten, Berühmten, ich habe den Namen vergessen – nachgewiesen, dass man materielle Körper in ideale Welten versetzen kann, das heißt in Welten, die von der menschlichen Fantasie erschaffen werden. Wie es schien, existierten neben unserer gewohnten Welt mit der riemannschen Metrik, dem Unbestimmtheitsprinzip, dem physikalischen Vakuum und dem Trunkenbold Choma Brut noch andere Welten mit klar ausgeprägter Realität. Es handelte sich dabei um Welten, die von der schöpferischen Fantasie im Verlauf der Menschheitsgeschichte geschaffen worden waren: etwa die Welt der kosmologischen Vorstellungen der Menschheit; die von den Malern erschaffene Welt oder jene halb abstrakte Welt, an der Generationen von Komponisten unbewusst mitgewirkt hatten.
    Ich hörte, dass vor einigen Jahren ein Schüler dieses Großen, Berühmten eine Maschine gebaut und damit eine Reise in die Welt kosmologischer Vorstellungen angetreten hatte. Eine Zeit lang hatte noch eine einseitige telepathische Verbindung bestanden, und er konnte übermitteln, dass er am Rande der Erdscheibe stehe, in der Tiefe den sich ringelnden Rüssel eines der drei gigantischen Elefanten sehe und zur Schildkröte hinabzusteigen gedenke. Danach hörte man nichts mehr von ihm.
    Und nun hatte der Vortragende, Magister Louis Iwanowitsch Sedlovoi, eine Maschine für Reisen in die von Menschen beschriebene Zeit konstruiert. Sedlovoi war, wie mir schien, kein schlechter Wissenschaftler, litt jedoch an starken paläolithischen Überbleibseln im Bewusstsein und musste sich deshalb regelmäßig die Ohren rasieren. Seinen Worten zufolge gab eseine real existierende Welt, in der Anna Karenina, Don Quijote, Sherlock Holmes, Grigori Melechow und sogar Kapitän Nemo lebten. Diese Welt hatte ganz eigene und überaus interessante Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten, und ihre Bewohner wirkten umso lebendiger, realer und individueller, je talentierter, leidenschaftlicher und glaub hafter die Autoren der entsprechenden Werke sie beschrieben hatten.
    Das alles fand ich ungeheuer interessant, zumal Sedlovoi, vom Thema gepackt, sehr lebhaft und anschaulich vortrug. Dann aber besann er sich, fand seine Darstellung des Sachverhalts nicht wissenschaftlich genug, behängte das Podium mit Skizzen und Diagrammen und ließ sich langatmig und in starkem Fachjargon über Dekrementkegelräder, mehrstufige temporale Schaltung und Durchdringungslenkrad aus. Ich verlor schon bald den roten Faden und sah mich unter den Anwesenden um.
    Das Akademiemitglied schlief in einer majestätischen Pose und hob nur hin und wieder reflexbedingt die rechte Braue, als wolle er gewisse Zweifel an den Worten des Vortragenden anmelden. Die Leute in den hinteren Reihen spielten hingebungsvoll funktionelles

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