Gesammelte Werke 6
Schiffeversenken im Banach-Raum. Zwei Fernstudenten schrieben jedes Wort gewissenhaft mit – auf ihren Gesichtern malte sich allerdings mal hoffnungslose Verzweiflung, mal völlige Schicksalsergebenheit. Hier und da rauchte jemand heimlich und blies den Rauch zwischen seinen Knien unter den Tisch. Die Magister und Bakkalaurei in der ersten Reihe hörten wie immer aufmerksam zu und bereiteten Fragen und kritische Anmerkungen vor. Die einen lächelten höhnisch, die anderen blickten verstört drein. Sedlovois Betreuer nickte nach jedem Satz zustimmend. Ich starrte aus dem Fenster, konnte aber außer dem bis zum Überdruss bekannten Kornspeicher nichts Interessantes entdecken. Nur hin und wieder liefen ein paar kleine Jungen mit Angelruten vorbei.
Als der Vortragende den einführenden Teil für beendet erklärte und sagte, dass er nun vorführen wolle, wie die Maschine funktioniere, schüttelte ich die Müdigkeit ab.
»Sehr interessant«, ergriff der wieder erwachte Vorsitzende das Wort. »Wollen Sie sich selbst auf die Reise begeben?«
»Ich würde gerne hierbleiben und Erläuterungen zum Ver lauf der Reise geben«, sagte Sedlovoi. »Vielleicht könnte einer der Anwesenden …«
Die Anwesenden machten sich klein. Offenbar war das rätselhafte Schicksal jenes Reisenden unvergessen, der an den Rand der Erdscheibe getreten war. Einer der Magister schlug vor, ein Double zu schicken. Sedlovoi war jedoch der Meinung, dass das nichts bringe, weil Doubles für äußere Reize wenig empfänglich und deshalb schlechte Informationsgeber seien. Aus den hinteren Reihen kam die Frage, welcher Art diese äußeren Reize sein konnten. Sedlovoi erklärte, es handle sich um ganz gewöhnliche Reize: akustische, visuelle, olfaktorische und taktile. Da kam, wiederum aus den hinteren Reihen, die Frage, welche Art taktiler Reize denn vorherrschen werde. Sedlovoi zuckte mit den Achseln und antwortete, das hänge vom Verhalten des Reisenden am jeweiligen Ort ab. Aus den hinteren Reihen war ein »Aha« zu hören; weitere Fragen wurden nicht gestellt. Der Vortragende blickte hilflos in die Runde, aber die Leute im Saal sahen alle woanders hin. Das Akademiemitglied fragte väterlich: »Na, was ist? Wo bleibt die Jugend? Wer wagt’s?« Da stand ich auf und trat stumm an die Maschine. Ich kann es einfach nicht mit ansehen, wenn ein Redner nicht weiterweiß, es ist so beschämend, jämmerlich und peinlich …
Aus den hinteren Reihen erreichten mich Rufe wie: »Nicht doch, Sascha! Lass es bleiben!«
Sedlovois Augen aber leuchteten auf.
»Ich stelle mich zur Verfügung«, sagte ich.
»Bitte, bitte, natürlich!«, murmelte Sedlovoi, packte meinen Daumen und zerrte mich zu seiner Maschine.
»Einen Augenblick«, bat ich und versuchte mich unauffällig aus seinem Griff zu befreien. »Dauert es lange?«
»So lange Sie wollen!«, rief Sedlovoi. »Ich richte mich da ganz nach Ihnen. Außerdem steuern Sie die Maschine ja selbst! Das ist ganz einfach.« Er packte mich von Neuem und zog mich wieder zu seiner Maschine. »Hier ist das Lenkrad. Und hier der Fußhebel für die Kupplung mit der Realität. Hier ist die Bremse, hier das Gaspedal. Sind Sie Autofahrer? Na, wunderbar! Die Taste hier … Wohin wollen Sie – in die Zukunft oder in die Vergangenheit?«
»In die Zukunft«, sagte ich.
»Aha«, sagte er, wie mir schien, enttäuscht. »In die beschriebene Zukunft, also. Das sind fantastische Romane und alle möglichen Utopien. Natürlich, auch das kann interessant sein. Aber machen Sie sich darauf gefasst, dass die Zukunft nicht kontinuierlich verläuft, dort dürfte es große Zeitlücken geben, die noch kein Autor ausgefüllt hat. Aber das macht nichts. Also, diese Taste hier müssen Sie drücken, einmal jetzt, beim Start, und das zweite Mal, wenn Sie zurückkehren wollen. Alles klar?«
»Ja«, sagte ich. »Und wenn die Maschine einen Defekt hat?«
»Das ist ungefährlich!«, rief er und fuchtelte mit den Armen. »Sobald irgendetwas nicht funktioniert, und sollte auch nur ein Staubkorn zwischen die Kontakte geraten sein, kehren Sie sofort hierher zurück.«
»Nur Mut, junger Mann«, ermunterte mich das Akademie mitglied. »Und nachher erzählen Sie uns, wie es dort, in der Zukunft, aussieht, hahaha!«
Krampfhaft bemüht, niemanden anzusehen, stieg ich in den Sattel – und kam mir ziemlich dumm dabei vor.
»Nun drücken Sie schon!«, flüsterte der Vortragende aufgeregt.
Ich drückte auf die Taste, anscheinend eine Art Anlasser. Dann gab es
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