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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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Psychiater!«
    Da knarrte die Tür, und Janus Poluektowitsch trat vom Korridor ins Labor.
    »Aha«, sagte er. »Guten Tag.«
    Wir standen auf. Er trat auf uns zu und drückte jedem von uns die Hand.
    »Photontschik«, rief er, als er den Papagei erblickte. »Er stört Sie doch hoffentlich nicht, Roman Petrowitsch?«
    »Ob er stört?«, wunderte sich Roman. »Mich? Warum sollte er? Er stört überhaupt nicht. Im Gegenteil …«
    »Na ja, immerhin geht das nun jeden Tag …«, erklärte Janus Poluektowitsch, brach aber plötzlich mitten im Satz ab. »Worüber haben wir gestern gesprochen?«, erkundigte er sich und rieb sich die Stirn.
    »Gestern waren Sie in Moskau«, teilte ihm Roman ergeben mit.
    »Ach ja. Na schön. Photontschik! Komm her!«
    Der Papagei flatterte Janus auf die Schulter und krächzte ihm leise ins Ohr: »Hirrse! Hirrse! Zuckerr!«
    Janus Poluektowitsch lächelte zärtlich und nahm den Papagei mit in sein Labor. Wir starrten uns verdattert an.
    »Gehen wir woandershin«, schlug Roman vor.
    »Zum Psychiater! Zum Psychiater!«, murmelte Vitka unheilvoll, während wir durch den Korridor zu seinem Kanapee gingen. »In den Krater Riccius. Drramba! Zuckerr!«

5
    Fakten gibt es immer zur Genüge – was fehlt, ist Fantasie.
    Dmitri Blochinzew
    Vitka stellte die Behälter mit dem lebenden Wasser auf den Fußboden, und wir machten es uns auf dem Translations-Kanapee gemütlich und begannen zu rauchen.
    Nach einer Weile fragte Roman: »Vitka, hast du das Kanapee ausgeschaltet?«
    »Ja.«
    »Mir geht nämlich allzu dummes Zeug durch den Kopf.«
    »Es ist ausgeschaltet und gesichert«, erklärte Vitka.
    »Nein, Jungs«, meinte Edik. »Warum kann es nicht doch eine Halluzination sein?«
    »Wer behauptet denn, dass es keine ist?«, fragte Vitka. »Ich sagte doch: Wir müssen zum Psychiater.«
    »Als ich Majka den Hof gemacht habe«, erzählte Edik, »habe ich ihr solche Halluzinationen suggeriert, dass ich’s selbst mit der Angst kriegte.«
    »Wieso denn das?«, wollte Vitka wissen.
    Edik überlegte.
    »Ich weiß auch nicht. Aus Begeisterung, wahrscheinlich.«
    »Ich frage mich nur, warum uns jemand Halluzinationen suggerieren sollte«, überlegte Vitka. »Außerdem sind wir kein junges Mädchen, sondern Gott sei Dank Magister. Wer kann uns schon etwas anhaben? Janus vielleicht, Kiwrin oder J unta. Möglicherweise auch Giacomo.«
    »Sascha hat noch Schwächen«, gab Edik zu bedenken.
    »Na und?«, meldete ich mich zu Wort. »Bin ich vielleicht der Einzige hier, der Sehstörungen hat?«
    »Das müsste man mal überprüfen«, überlegte Vitka. »Wir brauchten Sascha bloß ein bisschen …«
    »Na, na«, wehrte ich ab. »Unterlassen Sie mir das. Gibt’s denn keine andere Möglichkeit? Drückt euch mal aufs Auge. Oder gebt das Tonband einem Unbeteiligten. Soll er sich’s anhören und sagen, ob was drauf ist oder nicht.«
    Die Magister lächelten mitleidig.
    »Du bist ein guter Programmierer, Sascha«, lobte Edik.
    »Ein kleiner Fisch«, fügte Vitka hinzu. »Eine Larve.«
    »Tja, Sascha«, seufzte Roman. »Wie ich sehe, kannst du dir noch gar nicht vorstellen, was eine echte, sorgfältig suggerierte Halluzination darstellt.«
    Die Gesichter der Magister nahmen einen träumerischen Ausdruck an – offenbar schwelgten sie in Erinnerungen. Ich betrachtete sie neidisch. Sie lächelten. Sie kniffen die Augen zu. Sie blinzelten.
    Dann sagte Edik plötzlich: »Bei ihr blühten den ganzen Winter die Orchideen. Sie strömten den herrlichsten Duft aus, den ich mir erdenken konnte …«
    Vitka kam zu sich.
    »Berkeleyisten«, sagte er. »Stinkige Solipsisten. ›Wie tut meine Einbildung weh!‹«
    »Ja«, stimmte Roman zu. »Über Halluzinationen brauchen wir hier nicht zu sprechen. Das wäre zu simpel. Wir sind weder kleine Kinder noch Großmütter. Ich möchte kein Agnostiker sein. Was hattest du für eine Idee, Edik?«
    »Ich? Ach ja, stimmt. Aber die ist auch ziemlich primitiv. Matrikate.«
    »Hm«, meinte Roman zweifelnd.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    Edik machte mir lustlos klar, dass es außer den mir bekannten Doubles auch noch Matrikate gab – absolut originalgetreue Kopien von Gegenständen oder Lebewesen. »Im Gegensatz zum Double stimmt das Matrikat auch in der atomaren Struktur völlig mit dem Original überein. Mit gewöhnlichen Methoden sind Original und Matrikat nicht zu unterscheiden. Dazu bedarf es spezieller Geräte, und überhaupt ist das eine äußerst komplizierte und aufwendige Angelegenheit.

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