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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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Fahrzeug, und seine nicht unbeträchtliche Größe vermochte daran wenig zu ändern. Wir beeilten uns daher, dies Boot so seetüchtig zu machen, wie es unsere spärlichen Mittel erlaubten. Es bestand aus Rinde – der Rinde eines unbekannten Baumes. Die Spanten waren aus Weidenholz, das sich für diesen Zweck sehr gut eignet. Vom Bug bis zum Stern maß das Boot fünfzig Fuß, in der Breite vier bis sechs, in der Tiefe durchgängig vier und einen halben; somit unterschieden sich diese Fahrzeuge wesentlich von denen anderer Südseeinsulaner, soweit sie den zivilisierten Völkern bekannt sind. Niemals hätten die unwissenden Wilden, in deren Besitz sie waren, dergleichen bauen können, und wir erfuhren denn auch einige Tage später von unserem Gefangenen, dass sie in der Tat das Werk von Eingeborenen einer südwestlichen Inselgruppe und nur durch Zufall in die Hände unserer Barbaren gelangt seien. Für die Sicherheit des Bootes vermochten wir nicht eben viel zu tun. Einige große Risse, die wir in der Nähe beider Enden entdeckten, verstopften wir glücklich mit den Fetzen einer wollenen Jacke. Die überflüssigen Riemen, von denen eine Menge vorhanden war, benutzten wir zur Errichtung einer Art von Rahmenwerk am Bug, das den Anprall etwaiger Seen an dieser Stelle brechen sollte. Zwei Ruderstangen mussten als Mast dienen, an jeder Flanke stand einer, und so ersparten wir uns die Rah. Wir befestigten zwischen ihnen ein Segel, das aus unseren Hemden gefertigt war; das kostete uns einige Mühe, da unser Wilder außerstande blieb, uns dabei zu helfen, obwohl er sich bei allen anderen Arbeiten sehr willig zeigte. Der Anblick der Leinwand war von eigentümlicher Wirkung auf ihn. Es war nicht möglich, ihn zu überreden, dass er sie berühre oder gar sich in ihre Nähe begebe. Wollten wir ihn mit Gewalt dazu zwingen, so schauerte er zusammen und kreischte in tiefster Angst: »Tekeli-li! Tekeli-li!«
    Die Vorkehrungen, durch die wir unser Kanu seetüchtig zu machen versuchten, waren jetzt beendet, und wir richteten den Kurs vorläufig nach Südsüdost, wobei wir so an der südlichsten Insel der vorhin erwähnten Gruppe luvwärts vorbeisegelten. Nachdem dies geglückt war, kehrten wir den Bug gerade nach Süden. Das Wetter verdiente keineswegs unfreundlich genannt zu werden. Ein beständiger und sehr sanfter Wind blies aus dem Norden, die See war glatt, und es blieb immer Tag. Nirgends erblickte man Eis; in der Tat wurde von mir keins mehr gesehen, seit wir die Breite der Bennetsinseln verlassen hatten. War doch das Wasser hier überall viel zu warm, um die Entstehung von Schollen oder Feldern zuzulassen. Wir schlachteten die fetteste unserer Schildkröten, und sie gab uns nicht nur Nahrung, sondern auch frisches Wasser in Fülle. So segelten wir etwa sieben oder acht Tage den gleichen Kurs, ohne dass sich etwas von Bedeutung ereignet hätte. Wir müssen in dieser Woche ungeheuer weit nach Süden vorgedrungen sein, da der Wind unaufhörlich in unserer Richtung wehte und eine sehr starke Strömung uns unablässig mit sich forttrug.
    Die Datierung der folgenden Notizen erhebt nicht den Anspruch, genau zu sein. Sie hat nur den Zweck, die Erzählung deutlicher zu machen.
    1. März. Vielerlei merkwürdige Erscheinungen zeigten uns nunmehr an, dass wir in ein Reich neuer und wunderbarer Dinge einzudringen begannen. Eine berghohe Wand lichtgrauen Dunstes war beständig am Horizont zu schauen; manchmal schoss sie gewaltige Streifen zum Zenit empor, dann bewegte sie sich mit Märchenschnelle von Ost nach West und wiederum von West nach Ost, um endlich wieder einen langen und gleichförmigen Kamm aufzubauen; kurz, sie spielte in allen wechselnden Gestalten des Nordlichts. Die Höhe dieser Dunstschicht mochte, so wie sie von unserm Standpunkt aus erschien, ungefähr fünfundzwanzig Grad betragen. Die See wurde mit jedem Augenblick wärmer, und die starke Veränderung ihrer Farbe konnte uns nicht entgehen.
    2. März. Heute gelang es uns, durch wiederholtes Ausfragen des Gefangenen viele Einzelheiten über die mörderische Insel, ihre Bewohner und deren Sitten in Erfahrung zu bringen; doch will ich den Leser damit nicht langweilen. Einige Mitteilungen mögen genügen. Die Gruppe bestand aus acht Inseln; sie wurden alle von einem König beherrscht, der Tsalemon oder Psalemun hieß und auf der kleinsten Insel seinen Sitz hatte; die schwarzen Felle, die das Gewand der Krieger bildeten, stammten von einem ungeheuren Tier, das nur in einem

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