Gesammelte Werke
bestimmten Tal in der Nähe des Königshofes anzutreffen war; die Bewohner der Gruppe vermochten nur Flachboote zu bauen, und die vier Kanus – wie ich schon erzählt habe – waren durch Zufall in ihren Besitz gekommen; unser Wilder selbst hieß Nunu; er schien die Bennetsinsel nicht zu kennen, die Mordinsel führte den Namen Tsalal. Der Anlaut der Worte: »Tsalemon« und »Tsalal« glich einem lang hingezogenen Zischen, das wir trotz wiederholter Versuche nicht im entferntesten nachahmen konnten. Dieses Zischen entsprach genau einem Laut, den jene schwarze Rohrdommel, die von uns auf dem Berg erlegt worden war, auf ihrer Flucht von sich gegeben hatte.
3. März. Die Hitze des Wassers wurde jetzt ganz erstaunlich, und seine Färbung ging rasch vom Durchsichtigen zu einer milchigen Weiße und Dichtigkeit über. In unserer nächsten Nachbarschaft war es zumeist glatt und niemals bewegt genug, um das Kanu irgendwie zu gefährden; aber zu unserer Überraschung zeigte sich die Oberfläche des Meeres in verschiedenem Abstand von uns zur Rechten und Linken häufig wie von einem plötzlichen Krampf weithin erregt, und jedes Mal ging dieser Bewegung ein heftiges Geflacker in den Dunstregionen des Südens voraus.
4. März. Heute wollte ich unser Segel vergrößern, da die Brise aus Norden in merkbarer Weise abnahm, und ich holte zu diesem Zweck ein weißes Tuch aus meiner Rocktasche. Nunu saß neben mir, und als die Leinwand ihm zufällig ins Gesicht flatterte, verfiel er alsbald in furchtbare Krämpfe. Danach trat Schläfrigkeit und Stumpfsinn ein, und er murmelte unaufhörlich: »Tekeli-li! Tekeli-li!«
5. März. Der Wind hatte vollständig ausgesetzt, aber wir fühlten uns von einer mächtigen Strömung mit unwiderstehlicher Gewalt immer nach Süden getrieben. Und jetzt wäre es vernünftig und natürlich erschienen, wenn uns die Wendung der Dinge ernstlich beunruhigt hätte – aber wir empfanden keinerlei Besorgnis. Peters’ Gesicht zeigte nicht die geringste Spur davon; zuweilen allerdings lag ein Ausdruck darin, den ich nicht zu ergründen vermochte. Der Polarwinter schien zu nahen; aber er nahte ohne seine Schrecknisse. Ich war matt an Geist und Körper; mich umfing eine traumhafte Verschlafenheit. Das war alles.
6. März. Der graue Dunst war jetzt um viele Grade höher über den Horizont heraufgestiegen, und seine Färbung begann allmählich immer heller zu werden. Die Hitze des Wassers war so groß, dass wir es nur ungern berührten, in der Farbe gemahnte es immer mehr und mehr an Milch. Heute ereignete sich dicht am Kanu eine jener krampfartigen Bewegungen der Meerflut. Zugleich zeigte sich, wie gewöhnlich, ein wildes Aufflackern der Dünste an ihrem oberen Saum, während sie sich unten zu teilen schienen. Ein feiner, weißer Staub, der wie Asche aussah, aber gewiss etwas anderes war, schneite auf das Kanu und einen großen Teil der Wasserfläche hernieder, sobald das Flackern des Dunstes erstorben und die Aufregung des Meeres vergangen war. Nunu warf sich jetzt im Boot platt aufs Angesicht, und kein Zureden konnte ihn zum Aufstehen bewegen.
7. März. Heute fragten wir Nunu, aus welchen Gründen seine Landsleute unseren Kameraden so übel mitgespielt hätten. Aber ihn hatten Angst und Schrecken schon so sehr überwältigt, dass er uns keine verständige Antwort mehr zu geben imstande war. Er lag beharrlich auf dem Bootskiel ausgestreckt, und als wir ihn nochmals nach den Beweggründen seiner Stammesgenossen fragten, bediente er sich nur einer blödsinnigen Zeichensprache, indem er den Zeigefinger an die Oberlippe legte und die Zähne darunter entblößte. Diese Zähne waren schwarz. Wir hatten vorher bei keinem einzigen Eingeborenen von Tsalal das Gebiss gesehen.
8. März. Heute trieb eines jener weißen Tiere an uns vorüber, wie es damals so plötzlich in der Bucht von Tsalal den Wilden ein so großes Entsetzen eingejagt hatte. Ich wollte es auffischen; aber mit einem Mal kam eine unbeschreibliche Gleichgültigkeit über mich, und ich ließ das Tier weiterschwimmen. Die See wurde immer wärmer und wärmer, es war nicht mehr möglich, die Hand hineinzutauchen. Peters sprach nur wenig; ich wusste nicht recht, was ich von seiner Lässigkeit denken sollte; Nunu atmete eben noch.
9. März. Beständig fiel jetzt jener weiße Aschenregen auf uns nieder, und zwar in ungeheuren Mengen. Die gewaltige Dunstwand im Süden war unheimlich hoch überm Horizont emporgewachsen und begann jetzt eine deutlichere Gestalt
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