Gesammelte Werke
kleidsamen, sicher aber dienlicheren Form, die du wünschst! Das waren genau die Worte, mein geliebter Mann, nicht wahr?«
»So ist es«, sagte ich, »du hast ein ausgezeichnetes Gedächtnis; und selbstredend, meine schöne Eugenie, habe ich auch nicht die Absicht, das kleine Versprechen, das diese Worte enthalten, zu umgehen. Sieh! Schau her! Ist sie nicht – eigentlich – ganz kleidsam?« Und hier setzte ich die Brille, in die ich das Glas zunächst umgewandelt hatte, behutsam auf, während Madame Simpson ihre Haube zurechtrückte, die Arme kreuzte und herausfordernd, sogar recht steif und geziert und in nicht sehr würdevoller Haltung in ihrem Stuhl saß.
»Gott steh mir bei!«, rief ich fast im gleichen Augenblick, als die Brille mir auf der Nase saß. »Herrgott, steh mir bei! – Was, was kann denn nur mit der Brille los sein?« Und rasch nahm ich sie ab, rieb sie sorgsam mit einem seidenen Taschentuch und setzte sie wieder auf.
Wenn aber im ersten Augenblick sich nur etwas ereignet hatte, was mich überraschte, so wurde im nächsten Augenblick die Überraschung zum Erstaunen, und dies Erstaunen war tief – war grenzenlos – ja, ich kann sagen, es war grauenvoll. Bei allem, was scheußlich ist, was hatte das zu bedeuten? Konnte ich meinen Augen trauen? – konnte ich? – Da lag die Frage. War das – war das – war das »Rouge«? Und waren das – waren das – waren das Runzeln im Antlitz Eugenie Lalandes? Und, o Jupiter! Und bei allen Göttern, den großen wie den kleinen! Was – was – was – was war aus ihren Zähnen geworden? Ich schleuderte die Brille heftig zu Boden, sprang auf die Füße und stand aufrecht mitten im Zimmer Mrs. Simpson gegenüber, die Arme in die Hüften gestemmt; ich knirschte, ich raste, war aber gleichzeitig einfach sprachlos und hilflos vor Wut und Entsetzen.
Nun habe ich ja schon gesagt, dass Madame Eugenie Lalande – das heißt Simpson – die englische Sprache kaum besser reden als schreiben konnte, und aus dem Grund versuchte sie wohlweislich nie, sie für gewöhnlich anzuwenden. Die Wut aber kann eine Dame zum Äußersten treiben, und im vorliegenden Fall trieb sie Mrs. Simpson zu dem wirklich außerordentlichen Einfall, eine Rede in einer Sprache zu halten, die sie nicht ganz beherrschte.
»Nun, Err! Un vas denn? Vas sein loß? Sein es den Danz von der Sank Veit, der Sie aben? Wenn nikt mögen mir, was dann kauf Katz in Sack?«
»Du Hexe!«, sagte ich, nach Atem ringend. »Du – du – du widerliches altes Scheusal!«
»Scheusal? – alde? – Ick gar nikt so serr alde! Ick kein Dag merr als zweiunakzig.«
»Zweiundachtzig!«, stammelte ich und tastete nach der Wand. »Zweiundachtzigtausend Paviane! Auf der Miniatur stand siebenundzwanzig Jahre und sieben Monate!«
»Gewiss! Dat ise so – serr wahr! Aberr dann der portraite sein gemakt vor fünfundfünzig Jahr. Als ick gingte su eirat mein sweite Mann, Monsieur Lalande, da lassen ick nehmen der portraite für mein Tochter aus erster eirat mit Monsieur Moissart.«
»Moissart?«, sagte ich.
»Ja, Moissart«, sagte sie, meine allerdings nicht einwandfreie Aussprache nachahmend; »un was ise? Was Sie wissen von die Moissart?«
»Nichts, du alte Vogelscheuche! – Gar nichts weiß ich von ihm; ich habe nur seinerzeit mal einen Vorfahren dieses Namens gehabt.«
»Diese Namen! Un was aben Sie zu sagen ieber diese Namen? Ise serr gutt Namen. Un auch Voissart – ise serr gutt Namen. Mein Tochter, Mademoiselle Moissart, sie eirat ein Err Voissart, und die beiden Namen ise serr achtbare Namen.«
»Moissart?«, rief ich, »und Voissart? Ja, was meinen Sie damit?«
»Vas ick meinen? – Ick meinen Moissart und Voissart, un meinen Croissart und Froissart, wann ick nur Lust ab, so ßu meinen. Die Tochter von mein Tochter, sie eirat ein Err Croissart, un dann die Enkel von mein Tochter, Mademoiselle Croissart, sie eirat ein Err Froissart, un Sie volle sag, das ise nickt serr achtbare Namen?«
»Froissart!«, sagte ich, einer Ohnmacht nahe. »Du willst doch wohl nicht sagen Moissart und Voissart und Croissart und Froissart?«
»Ja«, erwiderte sie, lehnte sich tief in ihren Stuhl zurück und streckte die unteren Gliedmaßen weit von sich; »jawohl, Moissart un Voissart un Croissart un Froissart. Aberr Monsieur Froissart, er warr eine serr großmächtig Esel – er war eine serr großmächtige Dummkopf wie Ihnen – denn er sein fort von la belle France für kommen su diesen dummen Amérique – un wann er kamte
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