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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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zeigte.
    Jetzt drückte er auf einen bestimmten Punkt des Teppichs innerhalb des eben geschilderten Raumes, indem er mich wissen ließ, dass ein Teil des Fußbodens, etwa sechzehn Quadratzoll, sauber herausgeschnitten und wieder eingefügt worden war. Auf seinen Druck erhob sich dieser Teil und ließ einen seiner Finger durch die Spalte. So hob er allmählich die Falltür, die am Teppich befestigt war, in die Höhe, und ich sah, dass sie in den achtern Kielraum führte. Nun entzündete er eine kleine Kerze mit einem Phosphorstreichholz, setzte das Licht in eine Blendlaterne und stieg in die Öffnung hinab, wobei er mich aufforderte, ihm zu folgen. Ich tat es; er verschloss die Falltür von unten durch einen Nagel, während der Teppich oben seine gewöhnliche Lage wieder einnahm und die Luke den Blicken entzogen wurde.
    Die Kerze leuchtete so schwach, dass ich nur mit der größten Mühe den Weg durch die wirre Masse von Gerümpel, in der ich mich befand, einhalten konnte. Jedoch nach und nach wurden meine Augen mit dem Dunkel vertraut, und ich kam mit geringer Mühe vorwärts, indem ich mich an die Rockschöße meines Freundes klammerte. Er brachte mich endlich, nachdem wir unzähligen engen Durchgängen gefolgt waren, vor einen mit Eisen beschlagenen Koffer von der Art, wie man sie wohl benutzt, um Porzellan zu verwahren. Er war bald vier Fuß hoch und über sechs Fuß lang, jedoch äußerst schmal. Zwei große leere Ölfässer waren auf ihn gerollt, und darüber lagen Strohmatten bis zur Decke emporgetürmt. Ringsherum keilte sich ein Chaos jeder Gattung von Schiffsgerät ineinander, dazu eine bunte Menge von Körben, Fässern, Ballen, so dass es mir wie ein Wunder erschien, dass wir überhaupt zu diesem Koffer durchgedrungen waren. Später entdeckte ich, dass Augustus die Gegenstände absichtlich so verstaut hatte, damit ich vollständig im Verborgenen bleiben könnte; bei seiner Arbeit hatte ihn nur ein einziger Mann unterstützt, und dieser sollte nicht an der Seereise teilnehmen.
    Mein Begleiter zeigte mir jetzt, dass eine Querseite des Koffers sich nach Wunsch entfernen lasse. Er schob sie weg und enthüllte das Innere, dessen Anblick mir nicht wenig Spaß machte. Den Boden bedeckte eine Matratze, die aus einer der Kojen in der Kajüte stammte. Was nur irgend an nützlichen Gegenständen in einen so engen Raum zu pferchen ging, war darin enthalten, und zugleich vermochte ich noch darin zu sitzen oder ausgestreckt zu liegen. Unter anderen Dingen fanden sich einige Bücher, drei Bettdecken, ein großer Krug voll Wasser, eine Tonne Schiffszwieback, drei oder vier riesige Bologneser Würste, ein gewaltiger Schinken, eine kalte Hammelkeule und ein halbes Dutzend Flaschen mit stärkenden Getränken. Ich ergriff sofort Besitz von meiner kleinen Wohnung, gewiss mit einem Gefühl tieferer Befriedigung, als ein Monarch beim Einzug in einen neuen Palast empfindet. Augustus erklärte mir nun, wie man das offene Ende des Koffers verschließen könne, und indem er die Kerze bis zum Verdeck emporhob, wies er mir ein Stück dunkelgefärbter Takelleine, das sich, wie er sagte, von meinem Versteck durch alle Windungen im Gerümpel bis zu dem Nagel hinzog, der unterhalb jener Falltür in die Decke des Kielraumes eingeschlagen war. Vermittelst dieser Leine könnte ich im Fall eines unerwarteten Ereignisses ohne seine Hilfe den Weg zurückfinden. Dann verabschiedete er sich, nachdem er mir die Laterne sowie einen reichen Vorrat an Kerzen und Streichhölzern zurückgelassen und mir versprochen hatte, mich so häufig zu besuchen, wie es ihm irgend möglich sei. Das war am siebzehnten Juni.
    Wenn meine Rechnung zutrifft, blieb ich drei Tage und drei Nächte in diesem Versteck, ohne es überhaupt zu verlassen, außer dass ich ein paarmal die Glieder zu recken versuchte, indem ich mich zwischen zwei Körben, gerade gegenüber der Öffnung, aufrecht hinstellte. Während dieser ganzen Zeit kam mir Augustus nicht zu Gesicht; aber das beunruhigte mich kaum, denn die Brigg musste jeden Augenblick in See stechen, und in diesem Getriebe fand er nicht so leicht eine Gelegenheit, zu mir herunterzukommen. Endlich hörte ich die Falltüre auf- und zugehen und bald darauf die leise Frage, wie ich mich befände und ob ich etwas brauche. »Nichts«, erwiderte ich, »ich befinde mich sehr wohl. Wann segeln wir?« – »Die Brigg wird in weniger als einer halben Stunde die Anker lichten«, gab er mir zur Antwort. »Ich kam, es dir zu sagen, damit du

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