Gesandter des Teufels
in ganz London verbreitet hatten, oder ob er durch sein winziges Fenster über die Themse zu den Feldern von Southwark hinüberschaute und sich über die große Anzahl von Booten wunderte, die den Fluss hinunterfuhren, und die Menschenmengen, die sich inzwischen wahrscheinlich bereits am Südufer der Themse sammelten.
Wie alle anderen hatte auch Courtenay gehört, dass sich die Banden von Bauern, die sich London näherten, zu zwei großen Gruppen zusammengerottet hatten. Die erste umfasste etwa vierzigtausend Mann, größtenteils aus Essex, war von Nordosten her auf die Stadt zumarschiert und hatte nun auf den Feldern von Mile End vor dem Aldgate ihr Lager aufgeschlagen.
Doch Mile End war nicht Courtenays Ziel. Er verließ die Hauptstraßen, wo die Menschenmenge am dichtesten war und ritt nach Süden zur Thames Street, die parallel zum Fluss verlief. Von hier aus würde er versuchen, zur Brücke durchzukommen, und - wenn man ihn durchließ -
nach Southwark. Von dort aus müsste er noch drei Meilen weiter nach Osten reiten, um Blackheath zu erreichen, wo sich die sechzigtausend Mann starke Bande aus Kent versammelt hatte.
Und dort, so hoffte Courtenay, würde er auch Wat Tyler finden.
Auf der Thames Street war die Menschenansammlung dicht und unruhig. Männer und Frauen, die mit Spießen, Schaufeln oder anderen Gerätschaften bewaffnet waren, liefen voll Erwartung die Straße auf und ab. Die meisten von ihnen trugen rauchende Fackeln, deren flackerndes Licht auf die hohen Mauern von Lagerhäusern und Läden fiel und eine gespenstische Stimmung verbreitete. Es war, als würde die Menschenmenge nur auf ein Zeichen warten, um in mörderische Gewalt auszubrechen. Courtenay hoffte, dass die Kaufleute, die über den Lagerhäusern ihre Wohnungen hatten -größtenteils Fremdländer -
bereits geflüchtet waren.
Hin und wieder packte jemand die Zügel von Courtenays Pferd, doch sie ließen ihn stets weiterreiten, wenn er Hai Bolingbrokes Namen rief.
Courtenay war so umsichtig gewesen, die Livree von Bolingbrokes Leuten anzuziehen, und zusammen mit dem Namen des Prinzen reichte es aus, dass er sicher vorwärts kam - er musste Bolingbrokes Ring nicht einmal vorzeigen. Die Menschen mochten zwar über den Adel im Allgemeinen fluchen, doch Bolingbrokes Name hatte seinen Zauber bewahrt.
Courtenay wusste, dass sein Leben davon abhing, dass das auch so blieb.
Die London Bridge war ein gewaltiges Bauwerk: Neunzehn steinerne Bögen, die auf massiven, mit Flusskies gefüllten Pfeilern ruhten, überspannten die gesamte Themse. Auf der Brücke selbst befanden sich fünf-bis sechsstöckige Mietsund Lagerhäuser, Kirchen und Läden, sodass sie nur noch durch einen schmalen, tunnelartigen Gang passiert werden konnte, der unter und zwischen den Gebäuden verlief und selbst zur Mittagszeit mit Fackeln beleuchtet werden musste. Courtenay sah, dass sich überall an den Fenstern und auf den Vorsprüngen der Brücke und ihren Stützpfeilern lärmende Menschen mit Laternen versammelt hatten. Es hätte eine Szene aus dem Karneval sein können, wären die Worte von Männern, Frauen und Kindern nicht von gewalttätigen Untertönen begleitet gewesen.
Ein schwer bewaffneter Mann hielt Courtenay am Zugang zur Brücke an und griff ihm in die Zügel. Auf den ersten Blick hielt Courtenay ihn lediglich für ein Mitglied der Stadtwache, doch dann fiel ihm seine befehlsgewohnte Art auf. Courtenay betrachtete ihn genauer. Der Mann war groß und muskulös und trug über seiner Ledertunika ein Schwert und mehrere Messer. Unter dem widerspenstigen, von grauen Strähnen durchzogenen Haar befand sich ein scharfkantiges, markiges Gesicht, und sein Mund war schmal und kompromisslos. Der Blick des Mannes glitt über Bolingbrokes Livree und dann zu Courtenays Gesicht hoch.
»Warum tragt Ihr Bolingbrokes Wappen?«, fragte der Wachmann.
»Ich bin in Bolingbrokes Auftrag hier«, sagte Courtenay und wartete darauf, dass der Mann das Zaumzeug seines Pferdes losließ.
Doch dieser packte es nur noch fester, und Courtenays Hengst machte unruhig einen Schritt zur Seite.
»Einen Namen zu nennen, ist leicht«, sagte der Mann, und Courtenay lief ein Schauer über den Rücken, als er sah, wie sich die Flammen der Fackeln in den schwarzen Augen des Mannes widerspiegelten. »Und Eure hübsche Tunika und den Schmuck Eures Pferdes könnt Ihr genauso gut gestohlen haben. Nennt mir Euren Namen und Euer Anliegen, und zwar schnell, denn das ist keine schöne Nacht und ich bin
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