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Gesandter des Teufels

Gesandter des Teufels

Titel: Gesandter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Douglass
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meisten Londonern der Gedanke nicht, dass einhunderttausend kräftige, wütende Männer, die mit eisernen Spießen, Schaufeln und Hacken bewaffnet waren, in ihre Stadt einfielen. Die Aufständischen, die auf London zumarschierten, mochten dem König friedlich ihre Beschwerde vortragen wollen, doch sie konnten sich genauso gut in einen nicht mehr zu bändigenden Mob verwandeln.
    Letzteres war sogar wahrscheinlicher.
    Und London fing nur allzu leicht Feuer.
    Die meisten Ladenbesitzer und Handwerker schlossen ihre Läden und verriegelten die Läden vor Fenstern und Türen. Wertvolles wurde in sicheren Verstecken untergebracht, meistens in verborgenen Winkeln im Keller, in Jauchegruben oder den geheimen Gängen von Londons Abwassersystem. Feuer wurden gelöscht und Öfen abgekühlt. Man brachte die Kinder ins Haus und schärfte ihnen ein, dort zu bleiben.
    Manche Mütter eilten mit ihren Kindern und einem Korb voller Essen in die nächstgelegene Steinkirche, um dort vor den Aufständischen und möglichen Bränden sicher zu sein. Männer gingen in kleinen, sich beratenden Gruppen durch die Straßen, um sich zu den Beobachtungsposten zu begeben, denen sie zugeteilt worden waren - die Ratsherren der meisten Stadtbezirke sorgten dafür, dass als Erstes eine Brandwache eingerichtet wurde.
    Nicht wenige Männer, größtenteils reiche Kaufleute oder Adlige, die einen Rückzugsort außerhalb der Stadt und das nötige Geld besaßen, um sich dorthin befördern zu lassen, schlichen sich heimlich zu ihren Bootsanlegestellen und brachten sich und ihre Familien in Sicherheit.
    Andere waren töricht genug zu hoffen, die Unruhen in ihren Londoner Stadthäusern überstehen zu können.
    Obwohl viele Familien in ihren Häusern blieben, waren die Straßen voller Menschen. Die meisten Männer, vor allem die jüngeren, spürten den herannahenden Sturm und wollten ihn lieber draußen erwarten ...
    und sich den Aufständischen vielleicht sogar anschließen. Hatten sie nicht schließlich auch Grund zur Klage? Zu ihnen gesellten sich die Habenichtse und Spitzbuben, die hofften, dass sich ihnen in der bevorstehenden Nacht die Gelegenheit bieten würde, sich das zu nehmen, was ihnen schon so lange verwehrt worden war.
    Am späten Nachmittag drängten sich die Menschen auf den Straßen, und alle Arbeit in der Stadt war zum Stillstand gekommen. Obwohl sich die Menge einigermaßen ruhig verhielt, lag eine solche Spannung in der Luft, dass sie sich möglicherweise auch dann entladen würde, wenn kein einziger Aufständischer in Sicht kam.
    Bolingbroke war außer sich - was an seinem Tonfall und seiner äußerlichen Anspannung deutlich zu erkennen war. »Du musst den Savoy Palace und London verlassen!«
    Lancaster wandte sich von seinem Sohn ab und schritt langsam zum Fenster hinüber, das auf den Strand hinausging-Auf der Straße wogte ein Menschenmeer.
    »Selbst wenn ich es wollte«, sagte er und drehte sich wieder zu seinem Sohn um, »könnte ich an den Menschen dort unten jetzt nicht mehr vorbeikommen.«
    »Die Themse ...«
    »Ist genauso überfüllt wie der Strand«, sagte Lancaster.
    »Gütiger Himmel«, sagte Bolingbroke und versuchte es noch ein letztes Mal. »Die Leute werden deinen Namen rufen, Vater. Sie werden die heranrückenden Aufständischen als Entschuldigung dafür benutzen, um alles Unheil anzurichten, von dem sie schon seit Jahren träumen!«

    »Und mein Name - oder vielmehr seine Auslöschung -steht ganz oben auf ihrer Liste?«
    In Bolingbrokes Gesicht arbeitete es, und er wollte zu einer Erklärung ansetzen, doch er wusste, dass es keinen Zweck hatte. Lancaster hatte recht, jetzt war es zu spät für eine Flucht. »Wir können dich in den Tower bringen«, sagte er.
    Lancaster lachte. »Du willst mich mit Richard zusammensperren? Es gäbe wohl kaum eine einfachere Möglichkeit, mich aus dem Weg zu räumen, oder, Hai?«
    Bolingbroke sah bestürzt aus, und Lancaster lenkte augenblicklich ein.
    »Ach, mein Junge, es tut mir leid. So ist es am besten. Die Londoner ziehe ich Richard jederzeit vor. Außerdem wird es vielleicht gar nicht so schlimm. Morgen um diese Zeit sind womöglich alle schon wieder zu Hause, und es ist nichts weiter passiert.«
    »Nicht bei einhunderttausend Bauern, die auf die Stadt zumarschieren«, sagte Bolingbroke. Nicht mit Wat an ihrer Spitze. Verflucht soll er
    sein für das, was er angerichtet hat!
    »Wir haben hier einige Männer zu unserem Schutz, Hai, und wir sind von festen, massiven Mauern umgeben«,

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