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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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sich, woher er wohl den Schlüssel hatte, dann tauchte die dunkle rechteckige Form einer geschlossenen Kutsche vor ihr auf. Ein Pferd schnaubte, jemand, der in der Dämmerung nicht zu erkennen war, hielt den Kutschenschlag auf.
    »Steig ein – rasch! Sie sind uns schon auf den Fersen …«
    Er hob sie mehr in den Wagen hinein, als dass sie freiwillig einstieg, und bevor sie noch fragen konnte, wer ihnen denn »auf den Fersen« wäre, klappte der Schlag schon wieder neben ihr zu.
    »Darion! Was soll das denn? Ich will nicht … Ich will …«
    Der Ruck der anfahrenden Kutsche warf sie gegen das Rückenpolster, gleich darauf hatte sie sich gefasst und zerrte das Kutschenfenster herunter, um sich hinauszubeugen und zornig um Hilfe zu rufen. Doch was sie zu sehen bekam, war so unwirklich und erschreckend, dass ihr der Ruf im Halse stecken blieb.
    Da war er wieder, der grauhaarige Krieger, dieses seltsame Geistwesen, das damals aus einem grauen Kater gewachsen war, um sie vor Strykers zu beschützen. Doch sie erblickte noch andere Gestalten, die miteinander ringend aus der Dämmerung tauchten, für einen kurzen Augenblick ihre wilden mondbleichen Körper und verzerrten Gesichter zeigten, um gleich darauf wieder zu verschwinden. Nebelschwaden zogen vorüber, in der Dämmerung nur als feuchte Schatten wahrnehmbar, doch heute schien der Dunst belebt. Marian sah schmale Arme und wabernde Gewänder, hörte seltsam flüsternde Stimmen.
    »Was für ein Kampf! Lasst mich auch etwas sehen, Schwestern … Wie sie sich metzeln und morden … Wie das rote Blut aus ihren Wunden spritzt …«
    »Weg mit dir – drängle dich nicht vor! Das ist Aladion, der Abtrünnige – was für ein Mannsbild! Und neben ihm Gesira und ihr Ehemann Latur, die Elben. Und wer ist dieser rothaarige Bursche, der sich so verbissen mit Gorians Knechten herumschlägt?«
    »Ein Lichtelbe ist das. Ich glaube, er nannte sich in seiner menschlichen Verkleidung George … ein Jammer um ihn, er ist noch so jung und mutig …«
    »Oh, ich liebe die Rothaarigen mit der blassen sommersprossigen Haut … Zarte Nebeltröpfchen setze ich darauf ab, rinne daran entlang, verteile mich in seinem Gemächt und fließe …«
    »Täusche ich mich, oder ist dort Gorian, der Herr der Nachtschatten?«
    »Du hast recht, Schwester. Hu – der sah auch schon frischer aus! Ganz dürr und bleich ist er geworden …«
    »Ja, ein paar Tröpfchen Elbenwasser würden ihm wohltun.«
    »Wenn du mich fragst: Er müsste ein ganzes Fass davon trinken, bevor er einer Nebelfrau gefallen könnte …«
    Kühle klebrige Hände legten sich auf Marians Wangen, drückten gegen ihre Schultern und schoben sie in das Innere der Kutsche zurück.
    »Mach jetzt nur keinen Unsinn, Mädchen!«, vernahm sie eine spöttische Stimme. »Mit diesem Burschen ist nicht zu spaßen.«
    Mit wem war nicht zu spaßen? Sie hockte verwirrt und verschüchtert auf den Polstern und sah ungläubig zu, wie die Glasscheibe des Kutschenfensters von weißlichen Nebelhänden hinaufgeschoben wurde. Nebelfrauen. Elben. Nachtschatten. Es war eindeutig, dass sie sich in der anderen Welt, der Sphäre der Geister befand. Darion hatte sie gegen ihren Willen dorthin verschleppt.
    Wo steckte er überhaupt? Stand er etwa hinten auf dem Kutschbock und hielt die Zügel? Durch das kleine Fenster an der Rückseite der Kutsche konnte sie nichts erkennen, es war zu dunkel, weil niemand die Kutschlaternen angezündet hatte. Auch die kämpfenden Geistwesen und die aufdringlichen Nebelweiber waren verschwunden. Die Kutsche holperte durch dunkle Gassen, in denen nicht einmal eine Straßenbeleuchtung brannte. Keuchend ließ Marian sich in den Sitz zurücksinken und versuchte zu begreifen, was mit ihr geschah. Noch vor wenigen Minuten hatte sie sich in dem kleinen Übungsraum befunden, umringt von ihren Kollegen, die Freundin Juliette an ihrer Seite. Jetzt raste sie in einer Kutsche durch die nächtliche Stadt, von wilden Geisterkämpfen geängstigt, auf der Flucht vor einer unbekannten Gefahr. Einen Augenblick lang hoffte sie, dies alles könnte einfach nur ein Traum sein, aus dem sie gleich erwachen würde. Sie würde sich in ihrem kleinen Zimmer wiederfinden, im Bett zwischen den Kissen eingekuschelt, und das Dienstmädchen würde an die Tür klopfen, um den Morgentee anzukündigen.
    Doch es gab kein Erwachen, nur das Rasseln und Schütteln der Kutsche, die bei der rasenden Fahrt hie und da ins Schlingern geriet, das trommelnde Geräusch der

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