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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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seltsam – bei dir kommt das Lampenfieber wohl erst dann, wenn alles vorbei ist!«

Kapitel 21
    Das kühle Wasser tat Marian wohl, das Schwindelgefühl legte sich, und es war ein wenig peinlich, dass die Mitschüler jetzt alle um sie herumstanden und nach ihrem Befinden fragten.
    »Setz dich hier auf das Polster, Marian …«
    »Du hast wundervoll gesungen, ich wünschte, ich hätte im Saal sitzen dürfen! Aber sogar hier sind uns die Tränen heruntergelaufen …«
    »Ja, es war sehr anrührend. Vor allem diese Kadenz, die du eingefügt hast …«
    »Mir hat die Hand so gezittert, dass ich das Wasserglas kaum halten konnte. Ich habe alles vollgekleckert …«
    »Geht es dir wieder besser?«
    »Danke«, sagte Marian beschämt. »Es geht mir gut. Ich danke euch allen sehr!«
    Das Konzert war fast zu Ende, man vernahm noch die letzten Töne einer großen Alt-Arie, die den Abschluss und Höhepunkt des Abends darstellen sollte. Gleich würden sie alle noch einmal in den Saal hinübergehen, um sich den Zuhörern zu zeigen, sich zu verbeugen und Applaus einzuheimsen. Danach war es für kurze Zeit gestattet, Verwandte zu begrüßen und – was Sereno nur ungern sah – mit den anwesenden Journalisten und den wichtigen Leuten der Musikszene Kontakt aufzunehmen. Obgleich der Professor gern in alleiniger Machtvollkommenheit über die Karriere seiner Schüler entschied, war es ihm doch nicht möglich, sie ganz und gar von der Außenwelt abzuschotten. Doch er wusste seinen Einfluss zu gebrauchen, um allzu frühe Angebote oder gar Abwerbeversuche seiner lieben Professorenkollegen im Keim zu ersticken.
    »Vielleicht können wir ja zwei Takte mit dem ziegenbärtigen Meller reden«, meinte Juliette hoffnungsfroh, während drüben im Saal jetzt der Abschlussapplaus rauschte.
    »Weil er vorhin so charmant gelächelt hat?«, fragte Marian, der eigentlich gar nicht zum Scherzen zumute war. »Ich fürchte, wir sind nicht die Einzigen, über die er seinen männlichen Charme versprüht.«
    Der Beifall wollte nicht enden, man vernahm jetzt einzelne Rufe: »Bravo!«, »Ausgezeichnet!«, »Großartig!«, »Da Capo!«, und die jungen Sänger blickten sich vielsagend an. Gewiss, dieses begeisterte Lob galt zunächst einmal ihrem Lehrer, aber auch sie waren gemeint – sie alle, sogar diejenigen, denen nicht alles wie erhofft geglückt war. Es war ein stolzer Augenblick, den Mrs. Waterfield erbarmungslos zerriss, indem sie die Tür aufstieß und suchend im Zimmer umherblickte.
    »Miss Lethaby? Ach, da sind Sie ja! Kommen Sie bitte mit!«
    Aller Augen hefteten sich auf Marian, Neugier, Misstrauen und aufkommender Neid lagen in den Blicken der jungen Kollegen, die eben noch ihr Lob gesungen hatten. Wollte da einer der wichtigen Opernagenten ganz exklusiv und allein mit der kleinen Lethaby sprechen? Ihr ein Angebot machen, von dem Sereno nichts erfahren sollte? Vielleicht sogar eine Einladung nach Paris oder Wien?
    »Worum geht es, Mrs. Waterfield?«, wollte Marian wissen. Die Aufforderung war ihr eher lästig, denn sie fühlte sich noch nicht ganz wiederhergestellt.
    »Es möchte Sie jemand sprechen.«
    »Und wer?«
    Mrs. Waterfield war an sofortigen Gehorsam gewöhnt, zumal dieser Abend wirklich anstrengend für sie gewesen war. Ärgerlich schüttelte sie ihr Haupt mit den grünen Schleifchen und meinte, sie wäre jederzeit bereit, den Schülern des Professors einen Gefallen zu tun, das täte sie aus Treue zu Mr. Sereno, für den sie schon so viele Jahre arbeitete. Sie hätte jedoch keine Lust, lange Diskussionen zu führen.
    »Es ist ein guter Bekannter von Ihnen, ein Reverend aus Hampstead. Er ist nicht ganz wohlauf und wird deshalb gleich wieder heimfahren, will Sie aber vorher gern noch begrüßen und Ihnen Glück wünschen.«
    »Reverend Jasper?«, rief Marian aus. »Weshalb sagen Sie das nicht gleich? Oh, mein Gott – ist er etwa krank?«
    »Was weiß ich?«, gab Mrs. Waterfield ungeduldig zurück. »Er wartet drüben in der Halle auf Sie.«
    »Vielen Dank, Mrs. Waterfield!«
    Die Kollegen verloren jegliches Interesse an der Sache, einige lächelten ihr zu, als sie sich an Mrs. Waterfield vorbeischob, um durch den Flur in die Halle hinüberzulaufen, die meisten lauschten weiter auf den immer noch andauernden Applaus, der jetzt allerdings ein wenig an Kraft verlor. Nur Juliette rief ihr nach, sie sollte sich – wenn möglich – beeilen, damit sie gleich miteinander in den Saal gehen könnten.
    In der Halle war es kalt und wie immer

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