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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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eine preiswerte Unterkunft für die Nacht empfehlen könnte, doch dann fiel ihr ein, dass sie keinen Penny bei sich hatte. Ihr einziger Besitz war das Amulett, das sie um den Hals trug, doch lieber schlief sie in dieser Nacht auf einer Bank im Park, als dass sie diesen Schatz veräußerte. Während sie der Straße in östlicher Richtung folgte – immer auf der Hut vor Darion, der ganz sicher nach ihr Ausschau hielt –, überlegte sie fieberhaft, wohin sie sich wenden könnte. An Mr. Strykers? Auf keinen Fall, auch wenn er nicht einmal weit von der Regent Street wohnte. An Kate und ihre Eltern? Ihnen traute sie seit dem seltsamen Vorfall im Haus der Feathers nicht mehr über den Weg. Ach, es wäre so schön gewesen, wieder im Pensionat von Mrs. Potter aufgenommen zu werden, zwischen all den fröhlichen Mädchen zu leben und in dem großen Schlafsaal in ihrem alten Bett zu liegen! Mrs. Potter war eine Person, an die sich ganz sicher kein Geist heranwagte, und auch in Reverend Jaspers Nähe wäre sie vor der Bedrohung aus der anderen Welt in Sicherheit. Aber bis hinauf nach Hampstead war es ein weiter Weg, den Marian in dieser Nacht vermutlich nicht mehr geschafft hätte.
    »Benötigen Sie eine Kutsche?«
    Marian erschrak, denn sie war auf eine solche Frage, die ganz und gar unüblich war, nicht gefasst. Neben ihr auf der Straße bewegte sich ein schwarzer Hansom langsam voran, und der Kutscher hatte sich zur Seite gebeugt, um sie anzureden. Er war ein groß gewachsener, kräftiger Mann, trug feste Stiefel, eine dunkle Jacke und den hohen schwarzen Hut der Kutscher. Sein Gesicht erschien ihr jedoch trotz des verbindlichen Lächelns beängstigend bleich. War das Licht der Gaslaterne schuld daran, an der er gerade vorüberfuhr? Oder glich seine Gesichtsfarbe eher dem Licht des Mondes, von dem am bewölkten Londoner Nachthimmel jedoch nichts zu sehen war.
    »Danke«, erwiderte Marian höflich und ging ein wenig rascher. »Ich brauche keine Kutsche.«
    »Das ist schade«, sagte er und zügelte sein Pferd, das in Trab fallen wollte. »Ich habe nämlich heute Geburtstag und befördere meine Fahrgäste umsonst. Fassen Sie sich ein Herz, junge Frau! Ich fahre Sie gratis, wohin Sie wollen!«
    Kannte sie diese Stimme nicht? Diese nachtblauen Augen, die er ein wenig zusammenkneifen musste, weil sie jetzt an einer Straßenlaterne vorüberzogen? Unfassbar – er hatte eine neue Verkleidung angenommen und versuchte, sie hereinzulegen!
    »Fahr, wen du willst, Darion, aber nicht mich!«
    Marian blieb vor einem hell beleuchteten Restaurant stehen. Durch die hohen Fenster konnte man Ladys und Gentlemen an kleinen Tischen sitzen sehen, man speiste, unterhielt sich angeregt, einige rauchten. Darion hatte sein Gefährt an den Straßenrand gelenkt und zum Stehen gebracht.
    »Ich bitte dich, Marian! Du ahnst nicht, in welcher Gefahr du bist. Steig ein, und vertrau mir!«
    »Dein Geburtstag, wie? Du beförderst deine Fahrgäste umsonst, ja?«, entgegnete sie spitz. »Wie soll ich dir eigentlich vertrauen, wenn du mich ständig anlügst?«
    »Es war keine großartige Idee, ich gebe es zu. Aber in der Not fiel mir nichts Besseres ein. Bitte, Marian! Wir dürfen auf keinen Fall Aufsehen erregen!«
    »Ich will nicht!«, fauchte sie wütend. »Lass mich mit deiner Geisterwelt in Ruhe! Die Welt der Menschen reicht mir vollkommen aus, dort fühle ich mich wohl, und dort gibt es auch niemanden, der mich bedroht.«
    »Du kannst nicht zurück!«, rief Darion aufgeregt, sodass einige Passanten stehen blieben und sich nach ihm umschauten. »Du bist eine Lichtelbin, Marian!«
    Nun war es ausgesprochen, was er ihr die ganze Zeit über verschwiegen hatte. Aber sie war nicht so dumm und unwissend, wie er glaubte.
    »Und du bist ein Nachtschatten, Darion! Ein Wesen, das die Lichtelben zu Tode hetzt!«
    Sie hatte vorgehabt, in das Restaurant zu gehen, um ihn loszuwerden, doch gerade in diesem Augenblick traten einige Gäste aus dem Eingang, sodass sie einen Moment warten musste.
    »Ich liebe dich, Marian. Alles, was ich getan habe, war nur zu deinem Schutz …«
    Darions Stimme klang seltsam dumpf, als hätte jemand ihr Watte in die Ohren gesteckt, doch sie achtete nicht darauf, während sie sich nun doch zwischen den Restaurantgästen hindurch ins Innere des Gebäudes drängte. Er sollte sie mit diesem Geschwätz in Ruhe lassen! Begriff er denn nicht, dass es wehtat, immer wieder enttäuscht zu werden?
    »Marian Lethaby! Was für eine Überraschung! Du bist

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