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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Landsitz sie aufwuchs? Der war nicht ihr Vater. Er hat die schöne Elbin bei sich aufgenommen, weil er sie liebte, und das Kind, das sie auf die Welt brachte, als sein eigenes anerkannt. Marians Vater war Rufius, ein Lichtelbe, der seine Tochter niemals zu Gesicht bekam, denn er starb noch vor ihrer Geburt im Kampf gegen einen Nachtschatten. Es war der gleiche Schatten, der zehn Jahre später ihre Mutter Lavinia tötete. Auch sie trug das Zeichen des Sonnenkreises zwischen den Schulterblättern, denn die Königswürde wird bei den Lichtelben von der Mutter an die Tochter vererbt.«
    Die Nachricht löste zwar das Rätsel, doch sie machte auch deutlich, in welcher Gefahr Marian schwebte. Falls sie tatsächlich aus dem Königsgeschlecht der Lichtelben stammte, würde Gorian sie sicher nicht am Leben lassen. Oder doch? Er musste doch etwas mit ihr vorhaben, sonst hätte er längst den Befehl gegeben, sie zu töten!
    »Was redest du da von einer, auf die wir alle angeblich seit vielen Jahren warten? Weshalb? Was ist Besonderes an ihr?«
    Der Abtrünnige blickte zur Seite, wo jetzt ein schwacher Lichtschein hin und her irrte. Vermutlich war Mrs. Woolcraft aus dem ersten Schlummer erwacht und verspürte das Bedürfnis, das kleinste Gemach des Gebäudes aufzusuchen. Ein Nachtvogel löste sich aus einem Apfelbaum und glitt lautlos über die Gartenbeete, man vernahm das Quieken einer Maus, die gleich wieder verstummte. In irgendeinem der verträumten Häuschen bellte ein Hund, ein zweiter antwortete tief und heiser, ein dritter mischte sich mit hellem Gekläff ins Gespräch.
    »Du weißt nichts über die Elbenkönigin Eolin und das Geheimnis, das die Macht des Lichtelbenreichs damals am Leben hielt?«
    Der Alte schien unschlüssig, er befühlte einen Schnitt, der quer über seinen Unterarm verlief und jetzt wohl zu schmerzen begann. Auch seine Beine waren mit Wunden bedeckt, die zum Teil heftig bluteten – er würde zudem den Hieb über den Nacken jetzt langsam spüren, denn der Nackenschutz hatte ihn nur vor der scharfen Klinge, nicht aber vor der Wucht des Schlages bewahrt. Darion hatte wieder einmal das beklemmende Gefühl, nicht besonders stolz auf seinen Erfolg sein zu können.
    »Was für ein Geheimnis?«
    Der Abtrünnige seufzte tief und erzürnt und blickte Darion missbilligend an.
    »Schau, welcher Wissensdurst dich plötzlich befallen hat, junger Krieger! Und dabei hättest du all diese Dinge längst in Erfahrung bringen können, wärest du nicht wie all deine Kameraden mit Blindheit und tauben Ohren geschlagen gewesen! Die Alten unter den Nachtschatten kennen diese Geschichten wohl, und wer ihnen zuhört, der weiß mehr als Gorian und seine klugen Begleiter, die sich einbilden, das geheime Wissen zu hüten …«
    »Hüte deine Zunge, Verräter! Und vergiss nicht, dass ich den Auftrag habe, alle Abtrünnigen zu töten!«
    Darion wurde jetzt ärgerlich. Er hatte wenig Lust, sich weitere Beleidigungen anzuhören. Verdammt, wenn der Alte ihm etwas zu erzählen hatte, dann sollte er es tun oder sein Maul halten! Und außerdem: War die Königin der Lichtelben nicht vor langer Zeit von den Nachtschatten besiegt worden? Hatten ihre Untertanen sich nicht in alle Winde zerstreut? Gar so großartig konnte ihr Geheimnis ja wohl nicht sein, da es weder sie selbst noch ihre Untertanen vor der Niederlage bewahrt hatte!
    Weshalb aber hatte Gorian dann wissen wollen, ob Marian den Sonnenkreis zwischen den Schulterblättern trug?
    Der Abtrünnige hatte seine Rede unterbrochen, um zu lauschen. Der Nebel hatte sich schon vor einer Weile verzogen, jetzt erhob sich ein schwacher Wind, der das lange graue Haar des Schattenelben wie einen Schleier bewegte. Auch Darion hatte das Gefühl, etwas gehört zu haben. Möglicherweise kroch irgendein Nebelelf auf dem Dach herum, der den Anschluss an seine Kameraden verpasst hatte. Die Mondsichel war am Himmel aufgegangen, und die Schatten der Schornsteine fielen wie schwarze Balken quer über das Schindeldach.
    »Es sind drei Dinge, die zu dem Geheimnis führen«, murmelte der Abtrünnige. »Das erste ist das Zeichen der Sonne, das zweite der silberne Fluss. Das dritte aber ist das Spiel der Töne, das den Fels zum Bersten bringt. Nur wenn all dies zusammenkommt, wird der …«
    In diesem Augenblick fuhr ein kühler Lufthauch über sie hinweg, und beide erkannten den fremden Nachtschatten an seinem raschen lautlosen Flug. Es handelte sich um einen erfahrenen Krieger, und auch jetzt, da er sich

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