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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Potters Sofa zu drapieren. Sollte sie sich ihre Gedanken dazu machen, die geile Spinne!
    Gern wäre er noch einmal in den Schlafsaal der Mädchen eingedrungen, um Marian ein letztes Mal zu betrachten, doch er wagte es nicht. Die Gefahr, dass sie nicht schlief und ihn erblickte, war zu groß – er durfte jetzt kein Risiko mehr eingehen.
    Den Genuss, sich leicht wie ein Nebelstreif aus dem Fenster der Bibliothek in die Dunkelheit hinauszuschlängeln, hatte er lange entbehrt. Er dehnte sich ausgiebig, sog die kühle feuchte Nachtluft ein, und während er das Schindeldach des Pensionatsgebäudes betrachtete, drang schon ein dunkles wohlgefälliges Summen aus seiner Brust. Er lachte leise und dunkel, wie es die Nachtschatten taten. Welche Mühe hatten diese glatten Schindeln dem unglücklichen Jonathan Mills bereitet! Darion, das Schattenwesen, glitt in leichtem Flug über sie hinweg, eine sachte Bewegung seiner Wirbelsäule ließ ihn gleich einem Fisch im Wasser zur Seite schwenken, schwerelos wie ein Wölkchen schwebte er vor den Fenstern des Waschraums. Für menschliche Augen lag das schmale lang gezogene Zimmer in völliger Finsternis. Der Blick des Nachtschattens erfasste jeden einzelnen Gegenstand, die aufgereihten Zahnputzbecher, die Waschlappen an den Haken, die schadhaften Stellen an dem abwaschbaren Ölputz der Wände.
    Es war sein Glück, dass er sich noch ein wenig auf dem Dach herumgetrieben hatte, denn so wurde er auf seinen Gegner aufmerksam. Der Abtrünnige musste dem Hansom bis zum Pensionat gefolgt sein, dort hatte er sich zwischen den verrußten Schornsteinen versteckt, um im Schutz der Nacht seine üblen Absichten zu verfolgen. Ein mörderischer Kampf entbrannte, beide trugen Schwerter aus scharf geschliffenem blauem Stahl, und wenn sie aufeinandertrafen, blitzen Funken auf, die die Menschen wohl fälschlicherweise für Sternschnuppen hielten. Der Abtrünnige war geschickter und vor allem kräftiger, als Darion geglaubt hatte, ein alter erfahrener Bursche, der Tricks und Kniffe kannte, die für Darion neu waren. Einige davon durchschaute er zwar, und es gelang ihm, dem Widersacher Paroli zu bieten. In anderen Fällen ging er ihm jedoch auf den Leim und bezahlte seine Unerfahrenheit mit schmerzhaften Wunden an Schenkeln und Unterarmen.
    »Gibst du auf?«, keuchte der Gegner, der ebenfalls aus einigen Schnitten blutete.
    »Ich denke nicht daran!«
    »Dann nimm das!«
    Darion konnte dem überraschenden Schlag gerade noch ausweichen, sonst hätte er ihm die rechte Schulter zermalmt. Doch er nutzte die Tatsache, dass sein Gegner für einen kurzen Moment von der Wucht des eigenen Hiebs nach vorn gerissen wurde, um ihm einen gut platzierten Streich ins Genick zu verpassen. Jeder andere wäre jetzt leblos zu Boden gesunken, um sich dann in nachtblauen Nebeldunst aufzulösen – dieser Kerl jedoch trug einen Nackenschutz. Er taumelte zwar, denn der Streich war von keinem Schwächling geführt worden, dann jedoch richtete er sich wieder zu voller Größe auf. Er überragte Darion um einen halben Kopf, sein Haar war grau und reichte ihm bis an die Hüften. Eigentlich handelte es sich um einen ehrfurchtgebietenden Krieger, schade nur, dass er ein verfluchter Abtrünniger geworden war!
    »Wir sind einander gleich«, brachte er schwer atmend hervor und hob das Schwert nur sachte, um einem plötzlichen Angriff zuvorzukommen. »Wenn wir uns weiter schlagen, wird es weder Sieger noch Besiegten geben.«
    »Erzählst du mir jetzt Geschichten, weil du Angst bekommen hast?«, verhöhnte Darion ihn. »Stell dich zum Kampf, Alter! Ich werde keinen abtrünnigen Krieger am Leben lassen, das bin ich meinem Herrn schuldig!«
    »Wenn du mich zwingst, dich zu töten, wird niemand dieses unschuldige Geschöpf vor Gorians Machenschaften schützen.«
    Darions rechter Arm, der zum Schlag ausholen wollte, blieb unbeweglich. Das ist ein Trick, dachte er. Dieser alte Verräter ist mit allen Wassern gewaschen. Nicht nur mit dem Schwert, auch mit dem Mund ist er brandgefährlich.
    »Von welchem Geschöpf redest du?«
    Der Alte starrte ihn mit schwarzen Augen an, die fahl und kalt wie erloschene Krater wirkten. Und doch spürte Darion, dass sich unter dem toten Gestein noch Glut befand.
    »Du weißt recht gut, von wem ich rede, junger Krieger. Gorian, der Herr der Nachtschatten, will die kleine Lichtelbin in seine Gewalt bringen.«
    »Lass mich lachen! Du selbst hast heute Nachmittag versucht, Marian zu entführen!
    »Du irrst dich. Ich

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