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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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noch nicht materialisiert hatte, sondern einem grauen Nebelstreif glich, war klar, dass er gerüstet und bewaffnet unterwegs war. Vielleicht kam er nur zufällig hier vorbei, möglicherweise aber war er ein Bote, den der ungeduldige Gorian ausgeschickt hatte. Darion hatte wenig Lust, ausgerechnet im vertrauten Gespräch mit einem Abtrünnigen erwischt zu werden, daher kippte er kurzerhand rücklings über die Regenrinne und verbarg sich unter dem Überhang des Daches. Auf welche Weise der Abtrünnige sich davonmachte, konnte er nicht mehr sehen, doch oben auf dem Dach blieb alles still und friedlich. Nun – der Alte kannte eine Menge Tricks, schließlich entkam er nicht zum ersten Mal einem Nachtschatten.
    Darion verharrte eine Weile in seinem Versteck. Als sich jedoch nichts weiter regte als einige Spinnen, deren Netze er bei seiner Flucht zerstört hatte, entschied er, sich einen bequemeren Ort zu suchen, um gründlich nachzudenken.

Kapitel 10
    Wenn Kate doch nur endlich Ruhe geben wollte! Seufzend drehte Marian sich auf den Rücken und zupfte die Bettdecke zurecht. Die in ein Leinentuch eingeschlagenen Wolldecken waren recht kurz. Besonders im Winter musste man sich zusammenkauern, um während der Nacht keine kalten Füße zu bekommen.
    »Wir werden das Wohnzimmer bis auf ein paar Schränke und das Klavier ausräumen und auch den Teppich herausnehmen«, flüsterte Kate. »Ringsum werden Stühle und Sessel aufgestellt, und alles wird mit Bändern und Schleifen dekoriert – es wird ausschauen wie ein großer Ballsaal! Mama hat alle wichtigen Bekannten und Freunde eingeladen, und bisher hat noch keiner abgesagt, nicht einmal Mrs. Dotterby mit den beiden Töchtern und ihrem Sohn Jeremy. Der ist im Ministerium angestellt und bisher noch nicht verehelicht …«
    Kate war der festen Meinung, dass Marian ihren Vormund noch umstimmen könnte, deshalb hörte sie nicht auf, von der großartigen Abendgesellschaft im Hause ihrer Eltern zu erzählen. Sie hatte bereits dreimal erwähnt, dass die Dotterbys zwar gesellschaftlich über ihnen stünden, denn Mr. Dotterby nahm eine gehobene Position im Marineministerium ein. Aber Mrs. Jane Dotterby und Kates Mum waren seit ihrer Pensionatszeit Freundinnen geblieben, und das würde sich nun »auszahlen«.
    »Natürlich wäre eine Tochter der Dotterbys für meinen Vetter George keine schlechte Partie. Leider sind die beiden aber schrecklich hässlich. Ihre arme Mutter reicht sie auf allen Gesellschaften herum, bietet sie an wie sauer Bier – bisher hat sich jedoch noch kein ernsthafter Bewerber gefunden. Das ist kein Wunder: Alice, die Ältere, hat eine Hasenscharte, und Mildred leidet unter scheußlichen Pickeln, besonders im Gesicht und am Dekolleté blühen sie haufenweise wie kleine rote Maulwurfshügel …«
    »Kate, ich möchte jetzt gern schlafen«, fiel Marian ihr ins Wort. »Wenn es sein muss, kannst du mir ja morgen beim Frühstück von Mildred Dotterbys Pickeln erzählen. Aber eigentlich könnte ich auch darauf verzichten.«
    »Du liebe Zeit, Marian! Du musst nicht glauben, dass ich boshaft wäre – es ist schlimm genug, wenn ein Mädchen mit solchen Makeln behaftet ist. Der junge Jeremy Dotterby soll ja ganz annehmbar aussehen und auch beruflich sehr erfolgreich sein. Mum hat mir erzählt, er habe sich nach mir erkundigt, stell dir mal vor, er wollte wissen, ob ich noch immer solch kupferrotes Haar hätte! Ist das nicht dreist von ihm?«
    »Gute Nacht, Kate!«
    Marian wandte ihrer Freundin demonstrativ den Rücken zu, kauerte sich zusammen und zog sich zusätzlich die Decke über den Kopf. Auch von anderer Seite gab es jetzt Ärger. Lisa, die drei Betten weiter lag, bemerkte laut, dass man von einem Mädchen gehört hätte, das an seinem eigenen Geschwätz erstickt wäre, weil es vergaß, Luft zu holen. Und Gwendolyn erklärte, das laute Reden im Schlafsaal wäre zu dieser späten Stunde gar nicht erlaubt, und sie würde das morgen Früh melden.
    »In einem Pensionat in Glasgow wurde ein Mädchen mit ihrem eigenen Strumpf erdrosselt«, ließ Lisa sich düster vernehmen. »Es wurde gemunkelt, sie hätte ihre Freundinnen an die Pensionatsleiterin verraten. Sie sah schrecklich aus, das Gesicht ganz blau und die Zunge herausgestreckt …«
    »Großer Gott – so etwas kann wohl nur in Schottland passieren!«, flüsterte Emily entsetzt.
    »Wer weiß? Strümpfe gibt es auch hierzulande.«
    Daraufhin war es endlich still. Erst nach einer kleinen Weile hörte Marian Lisas

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