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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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mischte er sich in die Finsternis des Raumes, selbst ein Schatten und Teil der Dunkelheit, doch Darion spürte seine Ankunft und war auf der Hut. Also, das war es: Der Herr der Nachtschatten wollte ihn in aller Stille verhören. Es gab Dinge, die er selbst vor seinen Ratgebern geheim hielt, und die kleine Lichtelbin Marian gehörte dazu.
    »Du hattest viel Zeit, um über deine Verfehlung nachzudenken, Darion!«
    Die Stimme hatte immer noch keinen Körper. Der Herr der Nachtschatten bewegte sich lautlos durch den Raum, aber Darion konnte fühlen, wie er dicht an ihm vorüberstrich. Eine unbändige Wut stieg in ihm auf, denn die Worte klangen höhnisch und triumphierend. Doch zugleich sagte er sich, dass mit lautem Getöse nicht viel zu erreichen war. Dieses Mal würde er klug sein – es war seine letzte Chance.
    »Ja, Herr«, gab er leise zu.
    »Du hast das Licht gespürt, das unser Feind ist. Ich musste dir diesen Schmerz zufügen, um dich aus dem Bann der Elbin zu befreien.«
    Darion horchte auf. Es klang fast so, als hätte Gorian die Absicht gehegt, ihn zu läutern. Wollte er ihm vielleicht gar großmütig vergeben? Wenn ja – weshalb tat er das? Es gab Hunderte, die seinen Platz hätten einnehmen können …
    »Schweigst du aus Trotz oder aus Scham?«
    Darion beobachtete, wie sich die Dunkelheit am Ende des Raumes verdichtete, sie klumpte zusammen, gewann Form, wurde zu einer Gestalt. Er trug wie gewohnt Kettenpanzer und Schwert, dazu den langen Mantel aus schwarzem Samt. Seine Züge waren fast weiß, die senkrechten Kerben zu beiden Seiten des Mundes sahen aus wie tiefe Gräben.
    »Ich schweige, Herr, weil ich meine Reue nur schwer in Worte fassen kann. Meine Neugier hat mich verführt …«
    »So hätte deine Klugheit dich vor Ungehorsam bewahren müssen!«
    »Ich habe gegen den Abtrünnigen gekämpft, Herr. Doch ich konnte ihn nicht besiegen. Er ist erfahren in der Kunst, das Schwert zu führen …«
    »Es gilt zu siegen oder zu sterben. Hattest du auch das vergessen?«
    »Er verführte mich mit tückischen Worten, Herr.«
    Gorian starrte ihn durchdringend an, als wollte er herausfinden, ob der Einfluss seines Widersachers immer noch seine Wirkung tat. Ganz schien er nicht von Darions Reue überzeugt, denn er zog die Oberlippe hoch, sodass man seine langen gelblichen Zähne sah.
    »Sagte er dir auch, dass er einst den Namen Aladion trug und ein erbarmungsloser Jäger war? Rufius, der Vater unserer kleinen Marian, befand sich unter seinen Opfern. Auch Lavinia, ihre Mutter, starb durch ihn.«
    Log er ihn an? Darion konnte nicht glauben, dass der Abtrünnige ganz offensichtlich ein doppeltes Spiel getrieben hatte. Wieso berief er ihn, Darion, zu Marians Beschützer, wenn er selbst ihre beiden Eltern getötet hatte?
    Gorian hatte die Wirkung seiner Worte mit Genugtuung beobachtet. Jetzt fühlte er sich genötigt, noch einen kleinen Zusatz zu bemerken.
    »Den Größenwahnsinnigen gelüstet es nach meinem Thron. Darum lässt er nichts unversucht, um ahnungslose junge Krieger auf seine Seite zu ziehen.«
    Darion überlegte blitzschnell, dass weder Gorian noch Aladion zu trauen war, aber vorerst hatte er es mit Gorian zu tun.
    »Ich sehe, dass ich ein untauglicher Diener bin, Herr. Ein Abtrünniger hat mich mit schlauen Lügen betrogen, und eine Lichtelbin hat mich mit ihrem Liebreiz betört. Sosehr ich meine Verfehlungen bereue, so weiß ich doch, dass ich kein Recht auf Vergebung habe.«
    Der Herr der Nachtschatten gab keine Antwort. Mit einer langsamen Bewegung zog er den Mantel um sich, dann bewegte er sich einige Schritte auf Darion zu. Seine Nähe fühlte sich kühl an wie ein Nebel, der von einem tief gelegenen Gebirgssee emporsteigt.
    »Du hast einen kleinen Abglanz jener Strafe zu spüren bekommen, die jeden trifft, der mir die Treue bricht, Darion.«
    Es gelang Darion, seine Gesichtszüge zu beherrschen, was eine große Leistung bedeutete. Gorian glaubte also tatsächlich, sich durch Folter und Gefängnis treue Untertanen zu schaffen!
    »Ich werde diese Strafe niemals wieder vergessen, Herr. Das schwöre ich, so wahr ich hier stehe …«
    Es war kein Meineid, den er da leistete, diese Tortur würde er tatsächlich niemals aus seinem Gedächtnis löschen können. Gorian schien nun endlich zufrieden. Vielleicht hatte der Eid ihn überzeugt, wahrscheinlicher jedoch war, dass er Darion aus irgendeinem Grund für seine Zwecke brauchte. Es musste so sein, sonst säße er jetzt in einem der Felslöcher tief im

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