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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Berg, um dort den Rest seines Daseins zu fristen.
    »Sag mir also, ob du das Zeichen des Sonnenkreises an ihr gefunden hast!«, forderte Gorian.
    Darion musste es zugeben, sonst würde man Marian sofort töten.
    »Sie trägt eine hellgrüne Sonne zwischen den Schulterblättern, ich habe sie gesehen.«
    Gorian nahm diese Nachricht mit großer Befriedigung auf. Mehr noch – für einen Augenblick sah Darion ein rötliches Glimmen in seinen schwarzen Augen.
    »Das ist gut! Sehr gut. Was weißt du noch über sie?«
    Er zögerte, denn er wusste nicht, was er verraten und was besser verschweigen sollte.
    »Sie wird das Pensionat im Herbst verlassen, um die Kunst des Belcanto bei einem Professor Sereno zu erlernen …«
    Der Gesichtsausdruck des Herrn der Nachtschatten erschien ihm jetzt lauernd, ähnlich einem Raubtier, das um die Beute fürchtet.
    »Er will ihr das Singen beibringen? Hat er gesagt, weshalb er das tut?«
    »Er ist ein bekannter Gesangslehrer und bildet Bühnenkünstler aus, Herr. Sereno hält Marian für besonders begabt und will eine Primadonna aus ihr machen. Sie wird mit einigen seiner Schüler in seinem Haus wohnen …«
    Er schwieg verblüfft, weil Gorian höchst seltsame Töne von sich gab. Es klang wie das Meckern einer Ziege, doch abgehackter und sehr hell. Er kicherte. Der Herr der Nachtschatten fand Darions Bericht außerordentlich erheiternd.
    »Das ist kurios. Aber nicht übel, gar nicht übel …«
    Gorians ungewohnte Heiterkeit währte nur kurz, und Darion war froh darüber, denn sein seltsames Kichern wirkte unheimlicher als alle Drohungen.
    »Höre meinen Befehl, Darion …«

Teil II

Kapitel 12
    Marian hatte sich das alles ganz anders vorgestellt. Wie genau, das wusste sie selbst nicht so recht, aber irgendwie großartiger, glänzender – getragen von der Faszination der Musik. Was sie schließlich in Serenos Haus vorfand, war ein altmodisch eingerichtetes Zimmer, eine permanent schlecht gelaunte Wirtschafterin und das strikte Verbot, Haus und Garten zu verlassen. Das kannte sie bereits aus dem Pensionat, doch dort war es trotz der strengen Erzieherinnen oft laut und fröhlich zugegangen. Hier aber wohnten außer ihr nur zwei andere Schülerinnen – ehrgeizige junge Frauen, die wenig Wert auf ihre Freundschaft legten und ihr die besondere Zuneigung des Professors neideten.
    Elisabeth und Lillian waren einige Jahre älter als Marian und hatten bereits in mehreren Konzerten gesungen. Das öffentliche Auftreten gehörte von Anfang an zur Ausbildung. Ein Sänger – so betonte Sereno immer wieder – musste sich frühzeitig an das Publikum gewöhnen, um mit dem berüchtigten Lampenfieber umgehen zu lernen. Es sollte großartige Stimmen und exzellente musikalische Begabungen gegeben haben, Schüler, die zu größten Hoffnungen Anlass gaben, die jedoch auf der Bühne kläglich scheiterten, weil sie ihre panische Angst vor dem Publikum nicht bewältigen konnten.
    Marian, die erst seit zwei Monaten Unterricht erhielt, konnte sich gar nicht vorstellen, dass man vor einem öffentlichen Auftritt zitterte. Es war schon November, bald würde die Vorweihnachtszeit beginnen, da gab es viele Konzerte und Abendmusiken. Vielleicht würde sie ja sogar in St. Jacob auftreten. Welch schöner Gedanke, die ehemaligen Mitschülerinnen wiederzusehen! Ja, sie freute sich sogar darauf, Mrs. Potter und Miss Woolcraft, vor allem aber den lieben Reverend Jasper zu treffen und ihnen zu zeigen, was sie inzwischen gelernt hatte.
    Hatte sie etwas gelernt? Es musste wohl so sein, da sie doch täglich gemeinsam mit den anderen Schülern Unterricht erhielt und darüber hinaus noch drei- oder viermal in der Woche bei Professor Sereno zum Einzelunterricht beordert wurde. Sie war zuerst besorgt gewesen, ob sie mit den Lehrmethoden des Professors zurechtkommen würde, denn sie hatte wenig Lust, sich vor den anderen Schülern beleidigen zu lassen. Doch zu ihrer Überraschung war Sereno stets freundlich zu ihr, lobte sie für ihre rasche Auffassungsgabe und rief immer wieder begeistert aus, sie hätte von Natur aus einen perfekten Stimmsitz, er könnte daran kaum etwas verbessern.
    »Unsere Arbeit muss dahingehen, dir die Funktion deiner Stimme bewusst zu machen, damit du später, wenn die jugendliche Kraft und die natürliche Lockerheit nachlassen, durch gezielte Übungen Verlorenes zurückgewinnen kannst.«
    »Er meint damit, dass du im Augenblick perfekt bist, meine Kleine«, hatte Elisabeth schnippisch erwähnt. »Aber in

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