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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Drohung nicht.
    »Lass mich erklären, Marian, bitte!«
    »Was gibt es schon zu erklären? Glaubst du vielleicht, ich hätte auf dich gewartet? Mir nach dir die Augen ausgeweint? Oh, ich wusste gleich, was von deinem Versprechen zu halten ist, du großartiger Beschützer der Unschuld!«
    Hinter dem Zorn spürte er deutlich ihren Kummer und ihre Enttäuschung. Wäre er damals doch vorsichtiger gewesen – der lästige Bursche Aladion hatte leider nicht ganz unrecht: Er hatte sich die Gefangenschaft bei Gorian im Grunde selbst zuzuschreiben.
    »Ich wurde gegen meinen Willen aufgehalten, sonst wäre ich nicht so lange fortgeblieben.«
    Wie und unter welchen Umständen er aufgehalten worden war, konnte er ihr nicht erzählen, zumindest jetzt noch nicht. Doch es schien sie auch wenig zu interessieren. Stattdessen warf sie ihm hinterhältige Täuschung vor.
    »In der Gestalt des armseligen Jonathan Mills hast du mich monatelang ausgespäht und dich dabei über meine Ahnungslosigkeit lustig gemacht!«
    »Für diese Verkleidung gibt es wichtige Gründe. Ich habe mich niemals über dich lustig gemacht, Marian. Auch als Jonathan Mills habe ich dich beschützt …«
    Sie stutzte und schwieg einen Moment verunsichert. Hatte sie ihm verziehen? Als sie jetzt zu ihm aufsah, war ihr Blick sanft und voll unausgesprochener Dankbarkeit.
    »Hast du mich auch als grauer Kater beschützt?«
    »Als … grauer … Kater?«
    »Vor einigen Wochen im Haus von Strykers’ Tante …«
    Blitzschnell begriff er. Es musste Aladion gewesen sein, der diese Verkleidung gewählt hatte, um die Lichtelbin vor dem elenden Dreckskerl Strykers zu retten.
    »In jeder Gestalt schütze ich dich, Marian. Vor jeder Gefahr will ich dich bewahren. Und wenn es auch mein Leben kosten würde …«
    Er sah ein winziges Spottfältchen auf ihrer Stirn, ansonsten aber hatten diese Worte ihre Wirkung nicht verfehlt – sie war beeindruckt. Er bereute die Lüge nicht. Hätte er die Gelegenheit gehabt, dann wäre er in dieser Lage ganz sicher ihr Retter gewesen, wobei der alte Lustgreis Strykers nicht so glimpflich davongekommen wäre. Schließlich hatte er Gefangenschaft und Folter um ihretwillen erlitten, was zählten da ein paar fremde Federn?
    »Sogar dein Leben?«, fragte sie und lächelte ihn an. »Warum tust du das?«
    Er hatte sie zurückgewonnen! Namenlose Erleichterung stieg in ihm auf, zugleich aber wurde ihm bewusst, dass er sich auf dünnem Eis befand. Es gab nur eine Antwort auf diese Frage, doch wenn er sie aus ehrlichem Herzen aussprach, dann würden sie jetzt beide den Boden unter den Füßen verlieren.
    »Warum ich das tue?«, wiederholte er und überlegte fieberhaft, was er antworten sollte.
    »Genau das frage ich dich, Darion.«
    Er würde es sich ewig vorwerfen, wenn er jetzt schwieg. Sollte das Schicksal mit ihnen anstellen, was es wollte, Glück oder Unglück, Leben oder Tod, Seligkeit oder ewige Pein!
    »Weil ich dich liebe, Marian. Ich habe in dieser Welt kein anderes Ziel mehr, als dir nahe zu sein, dich zu behüten und für dein Glück zu sorgen …«
    Sie hatte den Kopf ein wenig angehoben und sog seine Worte mit halb geöffneten Lippen in sich hinein. Ahnte sie, welche Verlockung sie für ihn verkörperte, so auf dem Bett liegend, die Beine halb angewinkelt, den Oberkörper mit dem rechten Arm abgestützt und ihm zugewendet? Machte sie sich bewusst, dass er keine Mühe hatte, sich ihren Körper in dieser Haltung völlig unbekleidet vorzustellen?
    Er war verloren und sie mit ihm. Langsam trat er an ihr Bett, spürte kaum, dass er sich bewegte, weil der Sog, der von ihr ausging, ihn zu ihr hintrug.
    »Wir sollten …«, murmelte er und spürte, dass sein Mund staubtrocken war. »Das Buch … lass es uns jetzt aufschlagen …«
    »Welches Buch?«
    Ihre Elbenaugen schimmerten jetzt vielfarbig wie das Kleid der Erde. Tiefes Blau, von hellem Rot und lichtem Gelb umfangen, loderte flammengleich, sanftes Grün leuchtete, als schiene die Sonne durch junges Blattwerk. Sie war eine Elbin – wer konnte sich ihrer Verlockung widersetzen? Ihrer Macht entkommen?
    Gleißende Feuer schossen empor, als Darion sich niederbeugte und ihren kleinen Fuß berührte. Beide zuckten sie zusammen, sahen sich erschrocken in die Augen, dann schlugen die Flammen höher, umgaben sie mit einer brausenden, gleißenden Feuerwand und vereinigten sich über ihnen zu einer flackernden Kuppel.
    Nichts gab es mehr als ihren zarten weißen Elbenleib, den er gierig und zugleich voller

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