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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Schreckschraube, aber in meinem Zimmer sind wir unter uns. Ich lese gerade einen hinreißenden Liebesroman, ich muss dir unbedingt einige Stellen daraus vorlesen …«
    Marian hätte den Nachmittag zwar gern mit der fröhlichen Juliette verbracht, um nicht in ihrem Kummer zu versinken. Aber die Aussicht auf rührselige Romankapitel, in denen es um Liebe ging, lockte sie überhaupt nicht.
    »Du weißt doch, Julie: Ich darf die Villa nicht ohne Serenos Erlaubnis verlassen.«
    »Na schön, du braves Mädchen!, witzelte Juliette. »Dann sehen wir uns morgen Früh, um uns von Sereno vor dem großen Auftritt noch einmal so richtig nierdermachen zu lassen!«
    Sie lachte und umarmte Marian, gleich darauf sah man sie unter dem aufgespannten Regenschirm den Gartenweg zum Tor entlanglaufen. Eines der Dienstmädchen begleitete sie zum Tor, in ein kariertes Tuch eingewickelt, um sich vor dem Regen zu schützen. Mrs. Waterfield würde auf einen gewissen Jonathan Mills vermutlich äußerst schlecht zu sprechen sein. Morgen musste der große Unterrichtsraum in einen Konzertsaal verwandelt werden. Dazu wurde nicht nur alles gewischt und entstaubt, es mussten auch – so hatte man Marian erzählt – sämtliche Stühle der Villa herbeigeschleppt und in Reihen aufgestellt werden. Auch bei dieser Arbeit würde man den fleißigen Hausangestellten schmerzlich vermissen.
    Jetzt, da Juliette fort war, versank Marian wieder in ihrem Jammer. Bekümmert blieb sie an dem hohen Erkerfenster des Unterrichtsraumes stehen und starrte in den vom Regen aufgeweichten Garten. Wie hübsch hatte dies alles im Schnee ausgesehen, als die wattige weiße Schicht die zerbrochenen Mauersimse und das faulige Laub am Boden überdeckte! Nun war es über Nacht wärmer geworden, und es herrschte ein scheußliches feuchtes Schmuddelwetter.
    Es passt großartig zu meiner Stimmung, dachte Marian und schloss die Augen. Leise Töne stiegen in ihrem Inneren auf, wurden zu einer zarten traurigen Melodie, die direkt aus ihrem Herzen kam und wie von selbst den Weg zu ihren Lippen fand. Sie summte die Weise vor sich hin, hüllte sich in dieses zarte Netz von Tönen ein, die so sanft und trostreich waren, zugleich aber eine seltsam fremde Magie in sich trugen.
    Etwas brannte plötzlich schmerzhaft heiß an ihrem Arm, sodass sie erschrocken innehielt und mit ihrer Hand in den Kleiderärmel fuhr. Es war das Amulett, das Darion verloren hatte und das jetzt auf einmal zu glühen schien. Verblüfft musterte sie die kleine Phiole, in der die Flüssigkeit schäumte, als wollte sie das dünne Glas zersprengen.
    »Hilfe!«, kreischte eine weibliche Stimme hinter ihr. »Ein Erdbeben! Der Fußboden hat gezittert. Oh, mein Gott, wenn das kein böses Vorzeichen für morgen ist …«
    Marian drehte sich um, denn sie hatte Lillians Stimme erkannt. Zwei Schülerinnen, die sich miteinander unterhalten und Tee getrunken hatten, sprangen auf und liefen zu der erschrockenen Lillian hinüber. Von der anderen Seite eilte Elisabeth herbei, um der Freundin beizustehen, auch die beiden jungen Männer näherten sich voller Neugier. Gleich darauf war Lillian von hilfreichen Freunden umringt, doch Marian hatte gerade noch erkennen können, dass sie ein Glas in der Hand hielt, in dem es blinkte und funkelte. Offensichtlich hatte sie sich an Serenos Wasserkaraffe bedient.
    »Ich schwöre euch, es hat Wellen geschlagen! Richtig geschäumt hat es, ich glaubte schon, die Erde wollte sich unter mir auftun …«
    »Meine liebe Lilly, deine Nerven sind total überspannt. Und dabei singst du morgen nicht einmal. Wie wird das erst sein, wenn du …«
    »Halt den Mund, Elisabeth, du falsche Person! Ob ich morgen singe oder nicht singe, geht dich gar nichts an! Du selbst wurdest ja auch nicht ausgesucht. Erkläre mir lieber, wieso dieses Wasser in der Karaffe plötzlich in Bewegung geriet …«
    »Nun, du wirst versehentlich an das Tischlein gestoßen sein …«, meinte einer der jungen Herren. »Schaut euch die Karaffe doch an: Das Wasser schwankt immer noch ein wenig.«
    »Ich bin nicht an das Tischlein gestoßen!«
    »Aber natürlich, liebste Lilly. Vielleicht hast du es selbst ja gar nicht bemerkt. Anders ist es nicht möglich, sonst hätten wir es mit Zauberei zu tun.«
    »Ich habe dieses alberne Tischlein nicht einmal berührt! Das Wasser in der Karaffe begann völlig ohne Grund plötzlich zu sprudeln und Wellen zu schlagen …«
    »Schon gut, meine arme Lilly! Beruhige dich! Trink einen Schluck Tee, das wird

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