Gesang der Untoten
was ich denke?«
grollte Rogers. »Ich denke, du solltest dir Nadel und Faden holen und dein
großes Maul zunähen!«
»Er hat aber nicht ganz
unrecht«, beharrte der Haarige. »Ich weiß nicht, was es ist, aber irgendwo in
diesem ganzen Salat steckt ein Haar.«
»Bei euch sind die Sicherungen
durchgebrannt«, bellte Rogers. »Das hier ist die richtige Sophie Ventura. Ihr
habt Carl aufs Kreuz gelegt, weil ich besser zahle als er. Stimmt das?«
»Stimmt«, sagten beide
zugleich.
»Und wie ich schon gesagt habe,
ist das die echte Sophie Ventura.« Rogers fuchtelte mit den Händen. »Also
halten wir sie fest, bis Delawares Vertrag ungültig gemacht ist und sie bei mir
unterschrieben hat.«
»Lou«, sagte Bierbauch, »das
wissen wir doch alles schon. Das Risiko macht mir Sorgen. Was wird, wenn Carl
sie jetzt hier suchen kommt? Oder der Grindel?«
»Jawohl«, bekräftigte der
Haarige. »Wie kommt der eigentlich dazu, hier reinzulatschen wie ein Gespenst
und genauso wieder zu verschwinden? Und dazwischen — wer dem Grindel was tun
will, wird sein Leben oder seine Zähne los.«
»Keine Ahnung«, gestand Lou
Rogers mißmutig. »Vielleicht sieht er es lieber, wenn Sophie bei uns ist als
bei Carl? Wer kann schon sagen, was der Grindel denkt?«
Er ging zu einem Schreibtisch
neben dem Fenster, holte ein großes, juristisch aussehendes Stück Papier aus
der Schublade und klatschte es auf die Platte.
»Sophie, hier ist Ihr neuer
Vertrag. Kommen Sie rüber und unterschreiben Sie.«
»Und wenn nicht?«
Er zog sein widerliches Messer
aus der Tasche, die Klinge schnappte hörbar ein. »Ich habe Ihnen doch schon bei
unserer ersten Begegnung gesagt, was dann passiert, oder? Ich schneide kleine
Streifen aus Ihnen, bis Sie unterschreiben.«
»Ich unterschreibe«, sagte ich
rasch.
So ging ich zum Schreibtisch,
nahm den Füller und schrieb Sophie
Ventura auf die Stellen, die er mir zeigte.
»Sehr schön!« sagte Rogers
fröhlich, als ich fertig war. »Jetzt müssen wir nur noch Delawares Vertrag
haben, dann geht das große Geschäft los.«
»Okay«, meinte Bierbauch,
»jetzt haben wir also den Vertrag. Wo bringen wir sie sicher unter?«
»Darüber habe ich schon
nachgedacht«, sagte Rogers grinsend. »Könnt ihr euch einen Platz vorstellen, wo
so eine Dame nicht auffällt?«
»Wo denn?« fragte Bierbauch
gehorsam.
»In einer ganzen Herde Damen«,
erklärte Lou stolz. »Da verliert sie sich in der Menge.«
»Es ist mitten in der Nacht. Wo
finden wir jetzt eine Herde Damen?« fragte der Haarige.
»Kennst du Candy Kane?« sagte
Rogers.
»Klar«, nickte Bierbauch, »hat
die nicht mal einen Callgirl-Ring gehabt?«
»Den hat sie aufgegeben. Jetzt
hat sie ein erstklassiges Bordell. Es ist eher ein Klub. Er hat sogar eine
Warteliste! Und Candy ist mir noch einen Gefallen schuldig.«
»Da willst du die Ventura
arbeiten lassen?« Bierbauch zweifelte. »Wenn sie zu verrückte Sachen machen
muß, schadet das vielleicht ihrer Stimme.«
»Sie geht doch nicht zum
Arbeiten hin, Holzkopf. Candy wird auf sie aufpassen. Außerdem, wer sucht sie
schon im Puff?«
»Ich finde das gut!« sagte der
Haarige. »Dort vermutet sie keiner.«
»Dann geh den Wagen holen«,
befahl Rogers. »Ich rufe Candy an und sage, daß sie etwas für mich tun muß.«
9
Candy Kane war eine
guterhaltene Vierzigerin. Dichtes, glänzendes Haar floß über ihre Schultern.
Ihr tief ausgeschnittenes Abendkleid aus schwarzem Samt bewies, daß
wohlgepolsterte Weiblichkeit zu Recht wieder in Mode gekommen war. Ihre braunen
Augen verloren nie den berechnenden Ausdruck, selbst wenn sie lächelte.
»Setz dich, Herzchen«,
schnurrte sie. »Lou hat mir alles von dir erzählt.«
»Hat er das?« Ich ließ mich in
einen weichen Sessel fallen.
»Ich bin ihm einen Gefallen
schuldig«, sagte sie. »Er will, daß ich dich für ein paar Tage auf Eis lege,
und das geht in Ordnung.« Sie lächelte. Ihre Zähne waren groß und weiß, und ich
kam mir vor wie Rotkäppchen vor dem Wolf.
»Hören Sie mal! Er hat mich
entführt, und es wird einen Riesenärger geben, wenn Sie mich nicht...« Dann
hörte ich auf, weil ihr Gesichtsausdruck mir sagte, daß ich nur meine Zeit
verschwendete.
»Ich will das gar nicht hören«,
sagte sie leidenschaftslos. »Spar dir deinen Atem, Kindchen. Ich werde dir
jetzt dein Zimmer zeigen. Sehr hübsch, eigenes Bad, und das Essen lasse ich dir
bringen. Wenn du lieb bist, Herzchen, bin ich auch lieb. Wenn du
Schwierigkeiten machst und
Weitere Kostenlose Bücher