Gesang des Drachen
dass sie ansprechbar war. Die Schmetterlingselfe sah ihn aus großen Augen an.
»Deochar ...«
Er setzte sich auf die Fersen und beugte sich über sie. »Warum, Taria? Warum hast du uns verraten?«
»Ich ...« In ihren Augen sammelten sich Tränen. »Ich habe eine Tochter ... Sie ... sie haben gesagt, ich kann sie wiedersehen ... darf ... bei ihr sein ... Bitte, ich ...«
»Eine Tochter?« Davon hatte er nichts gewusst. Mehrere der Iolair hatten Kinder. Vielleicht war es nachlässig von ihm gewesen, nicht herauszufinden, welche, und sie überwachen zu lassen. Er konnte verstehen, dass sie für Rimmzahn ein gutes Druckmittel darstellten. Aber besonders von Taria hätte er einen solchen Verrat niemals erwartet. Durch ihre Kampfmagie war sie eine seiner besten Kriegerinnen.
Deochar wandte sich ab. Er blickte zu Mandis. »Hol ein Heilmittel. Und danach sorg dafür, dass sie nicht entkommen kann.«
Mandis stand wortlos auf und ging.
Stille legte sich über die Höhle. Die Augen aller richteten ihre Blicke auf Eroly, die ohne ihre Larve alt und hässlich vor ihnen stand. Der Zauber war gewirkt. Die Elfen ließen ihre Hände nach und nach los.
»Das Versteck ist jetzt sicher.« Eroly sah Deochar aus blutunterlaufenen Augen an. Die Wangenknochen stachen aus dem Gesicht hervor. Von der sinnlichen Erotik, die sie zuvor ausgestrahlt hatte, war nichts geblieben. »Mehr kann ich nicht tun.«
Er ging zu ihr. »Danke, dass du uns gerettet hast.«
Sie sank in einen tiefen Schlaf, in Deochars Arme hinein. Er hielt sie fest und spürte den welken Körper an seinem, in dem so unfassbare magische Kräfte verborgen waren. Der Wunsch, über ihr silbergraues Haar zu streichen, wurde übermächtig.
Deochar erschreckte, was er in diesem Augenblick empfand. Für ihn war Eroly bisher die alte, hässliche und heimtückische Vettel gewesen, die zuerst an sich dachte. Er hatte sich in ihr getäuscht.
So dankbar Deochar Eroly war, so sehr verfluchte er, dass Taria ihn verraten hatte. Der Zauber Erolys band sie an die Höhle, das war ihm bewusst. Sobald auch nur einer von ihnen sie verließ, wäre der Bann gebrochen, und ihre letzte Zuflucht fiel.
Eroly erwachte nach einigen Stunden. Deochar kam sofort zu ihr, nachdem Gerfinn ihn darüber informiert hatte. Er kniete sich neben das provisorische Lager am Boden.
»Wie lange wirkt dein Zauber?«
»Mehrere Tage«, brachte sie hervor. »Vielleicht eine Woche. Er wirkt schleichend. Die Anhänger Rimmzahns werden vergessen, wo sie zu suchen haben ... wenn ...« Sie verstummte. Ihre Augen weiteten sich. »Die Botschaft ...«
»Welche Botschaft?«
»Es ... der Zeitpunkt ... Es ist zu spät ...«
»Was meinst du?« Deochar gefiel es nicht, ein Gefangener zu sein, aber mehr noch verabscheute er das niederschmetternde Gefühl, das sich durch Erolys Worte wie eine Krankheit in ihm ausbreitete. Bricius. Er ist auf sich allein gestellt.
»Es ... es gab einen Plan.« Flüsternd und mit vielen Pausen erzählte Eroly ihm von der Nachricht Bricius' und dem Vorhaben, den Schattenlord in die Flucht zu schlagen.
Deochars Unruhe wurde größer. Würde Bricius es ohne ihn und die Iolair schaffen? Wenn ja, wäre der Vulkan bald wieder in ihrer Hand. Aber darauf wagte er nicht zu hoffen.
Sein Blick suchte das Krankenlager von Taria. Wenn es deinetwegen schiefgeht ...
Er schloss die Augen und versuchte, den aufflackernden Zorn zu beherrschen. Erolys Zauber verdammte ihn zum Warten.
20.
Der Zorn des Propheten
Es war ruhig auf dem Marktplatz. So früh am Morgen waren noch keine Käufer da, nur ein paar Händler, vielleicht ein Dutzend, legten Waren an ihren Ständen aus. Simon ging ungeduldig auf und ab, warf immer wieder einen Blick zum Himmel.
»Wo bleibt er denn?«, fragte er nicht zum ersten Mal. Die Morgenandacht musste bereits zu Ende sein. Jeden Moment würde Maurice Rimmzahn mit der Ausrede, er wolle ihm den Grundriss des neuen Tempels erklären, auf den Marktplatz bringen.
Bricius hob die Schultern. »Er müsste längst hier sein.«
Auch er wirkte nervös. Wie Simon hatte er sich darauf verlassen, dass Eroly die Botschaft zu Deochar bringen und rechtzeitig mit ihm auftauchen würde. Sie hatten beschlossen, die Iolair, die sich im Dorf aufhielten, nicht einzusetzen, weil niemand wusste, wie loyal sie zu Bricius standen. Wenn Deochar sie im Stich ließ, gab es niemanden, der die Gläubigen, sollten der Schattenlord sie denn zu Hilfe rufen, in Schach halten konnte.
»Wenn wir den
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