Gesang des Drachen
teilnehmen. Die meisten zeigten das gewünschte Lächeln auf den Gesichtern, doch selbst Frans fiel auf, dass es an diesem Morgen durchlässig war wie ein dünner Anstrich, der die Farben unter sich hindurchblitzen ließ.
Frans entfernte sich ein Stück von der Gruppe. Er folgte Rimmzahns Vorbild und stellte sich in das Licht der aufgehenden Sonne, während seine Anhänger in den Schatten kauerten. Dann wandte er sich ihnen zu, breitete die Arme aus und sprach mit voller, weitreichender Stimme.
»Ich sehe, dass ihr an diesem Morgen angespannt seid. Ihr leidet mit mir. Ungläubige haben uns die Kinder geraubt und sie zurück zu ihren Eltern oder in Verstecke getrieben. Ich sage euch, damit haben sie diesen Kindern höchstes Leid angetan! Ich habe mit dem Schattenelfen gesprochen, und der sagte mir, dass die Kinder zuvor beim Schattenlord selbst waren!«
Erstaunte und gequälte Ausrufe gingen durch die Menge, die Frans dazu anregten, sich noch weiter aufzurichten. »Hört mich an! Ich sage, diese Kinder waren im Paradies, am Herzschlag des Glückes selbst! Aber nun sind sie hinabgestoßen worden in die tiefsten Kreise der Hölle! Wir müssen sie zurückholen, jedes einzelne. Und dieses Mal wird es keine Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Zweifler geben. Ich erwarte, dass die Eltern mithelfen und ihre Kinder ausliefern. Jeder, der sich uns in den Weg stellt, soll gefangen genommen werden! Wenn es sein muss, mit Gewalt!«
Stille antwortete ihm. Er spürte, dass er sie nicht vollends überzeugt hatte. Einige sahen ängstlich aus, besonders die Flüchtlinge. Sie hatten vielleicht selbst Kinder oder kannten jemanden, der welche hatte.
»Bis zu diesem Abend werden alle Kinder zurück in der Höhle sein, das garantiere ich!« Frans ballte die Finger zu Fäusten. Wenn er erst einige Exempel statuiert hatte, würden die anderen nachziehen. Er würde eine harte Hand zeigen, und sie würden parieren. »Ich erwarte eure Mithilfe! Der Schattenlord erwartet eure Mithilfe! Denn er bereitet sich vor auf den Kampf gegen Alberich, um euch zu schützen!«
Ein Raunen ging durch die Jünger, gefolgt von aufgeregtem Flüstern. Einige neigten den Kopf noch tiefer, als Zeichen ihres Dankes, dass sie in der gefährlichen Situation nicht allein gelassen wurden. Inzwischen wusste jeder im Krater, dass Alberich vorrückte.
»Ja, es ist wahr!« Frans zeigte zum Himmel. »Er wird über Alberich kommen! Aber nur, wenn wir ihm bis zum Abend die Kinder zurückgebracht haben und die Schuldigen gefasst sind, die hinter ihrer Befreiung stecken! Wollt ihr dem Herrn des Lichts und der Liebe dienen?«
»Ja!«, riefen die ersten Anhänger zaghaft.
»Das wollen wir!«, fielen weitere ein.
»Wollt ihr euch eurer Aufgabe stellen und die Schuldigen ihrer gerechten Strafe zuführen?«
»Wir wollen es! Wir wollen es!«
Befriedigt nahm Frans zu Kenntnis, wie sie sich nach und nach geschlossen hinter ihn stellten. Vielleicht würde dieser Vorfall doch noch sein Gutes haben. »Der Herr sieht euch und lächelt. In einer Stunde wird eine von mir auserwählte Gruppe alle im Lager befragen. Eine zweite wird die Kinder wieder eintreiben. Wir kennen die Eltern, und ich bin sicher, sie wissen, wo sich ihr Nachwuchs aufhält. Preiset den einen!«
»Preiset ihn!«, rief die Menge.
Frans senkte die Arme.
»Und nun lasset uns singen und dem Herrn des Lichts und der Liebe unsere Stimmen opfern.«
Gina intonierte den Gesang. Er war süß und lieblich, trotzdem hätte sich Cedric am liebsten bei jedem einzelnen Ton übergeben. Ich halte diesen Mist keinen Tag länger aus. Er stand dicht davor, wie sie zu werden: ein Roboter mit Clownsgesicht. Jede Stunde war ein Kraftakt, in dem er dagegen ankämpfen musste, sich aufzugeben und diesen Wahnsinn mitzumachen, einfach, um seine Ruhe zu haben. Aber das wollte er nicht. Er trank weniger Wein als jemals zuvor, um bei klarem Verstand zu bleiben. Genauso wie Simon, Maurice, Emma und Bricius, inzwischen jeder zumeist für sich, suchte er nach einer Lösung für das Problem.
Aber was sollten sie tun? Wenn Frans an diesem Tag tatsächlich ein Massaker unter den Eltern anrichten sollte, die ihre Kinder nicht herausrückten ... Er wollte gar nicht darüber nachdenken.
Leider gab es bisher keine Zeit, in der sie sich besprechen konnten. Die Gotteskrieger beobachteten sie, ließen sie niemals allein und sorgten dafür, dass sie einander nicht zu nahe kamen. Cedric wusste, dass Gina eine Liste derer führte, die es zu
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