Gesang des Drachen
gebundenen Zauber, um sich und das Tier vor den Geschossen zu schützen. Weg hier!
In aller Eile kehrte er zurück in den schützenden Wall. Er wurde wieder zu Nebel, bot den Feinden kein klares Ziel. Erleichtert löste er die Verbindung mit dem Greif. Gleich hatten sie es geschafft und waren außer Reichweite.
»Yevgenji!«, hörte er eine grollende Stimme unter sich brüllen. »Er ist noch da oben. Wirf deinen Speer!«
Deochar erstarrte. Er hatte den Kontakt mit dem Greif abgebrochen und konnte nicht sehen, was unter ihm vor sich ging. Aber er erkannte Alberichs Stimme. Bei seinem Rückzug war er der Spitze des Heeres nahe gekommen. Konnte der Drachenelf ihn tatsächlich sehen? Oder spürte er ihn vielleicht? Wenn Yevgenji seinen Speer warf, war es aus. Der Ewige Todfeind war ein Meisterschütze und fand sein Ziel immer.
Er hat noch nie verfehlt.
So hieß es. So musste es sein.
Deochar schloss die Augen. Vorbei. Er würde es nicht mehr rechtzeitig zurückschaffen. »Mist«, flüsterte er. Mit verzweifelter Anstrengung zog er sein Schwert und sammelte Kraft für eine Abwehr, obwohl er wusste, dass der Speer Yevgenjis ihn dennoch treffen würde. Selbst wenn er ihn mit der Klinge abblockte – die Wucht der schweren Waffe würde ihn aus dem Sattel fegen.
»Nein.« Die Stimme Yevgenjis war so laut wie die Alberichs. »Noch nicht.«
Deochar öffnete die Augen und atmete aus. Er erreichte den zweiten Durchgang und war in Sicherheit. Nachdem der Greif gelandet war, spürte er beim Absteigen, wie weich seine Knie sich anfühlten. Das war knapp. Verdammt knapp. Trotzdem würde er nicht aufgeben.
In der Höhle wartete Gerfinn mit weiteren vorbereiteten Zaubern, die wie die der Netze an Gegenstände gebunden waren. Und falls die Zauber ausgingen, würden die Pfeile sprechen.
24.
Nachwehen
Frans stand in Rimmzahns leerer Hütte und sah sich um. Alles war so, wie sein Prophet es zurückgelassen hatte, und er würde dafür sorgen, dass es auch so blieb. Vor den Fenstern hörte er das unruhige Murmeln der Menge. Er hatte darauf bestanden, allein in die Hütte zu gehen, um nachzusehen, ob der Schattenelf sie ebenfalls verlassen hatte.
Und nun wusste er nicht, was er tun sollte.
Wieso hast du uns verlassen, mein Prophet?, fragte er sich. Wieso war Rimmzahn ein zweites Mal auf diesen Maurice hereingefallen, der sich nun auch noch als Sucher entpuppt hatte?
Frans lehnte sich an die Wand und schlug die Hände vor sein Gesicht. Was soll ich tun?
Eine Weile lang gab er sich seiner Verzweiflung hin, doch irgendwann wurde das Murmeln vor der Tür lauter und ungeduldiger. Er musste sich den Gläubigen stellen.
Mit gesenktem Kopf verließ er die Hütte. Die Morgensonne schien auf den Platz und erhellte die Gesichter der Gläubigen. Sie sahen ihn an. In ihren Augen lag eine solche Hoffnung, dass ihm fast die Tränen kamen.
»Er ...«, setzte er an, doch dann erkannte er plötzlich, was er zu tun hatte. Der Schattenlord selbst musste ihm die Idee eingeflüstert haben. Er straffte die Schultern und breitete die Arme aus.
»Er ist noch da!«, rief er. »Der Schattenelf ist in der Hütte. Er hat uns nicht verlassen! Preiset den Schattenlord.«
Menschen und Elfen umarmten sich, einige weinten vor Freude.
»Was hat er gesagt?«, rief ein Mann.
»Wo ist unser Prophet?«, wollte ein anderer wissen.
Frans verschaffte sich mit einer Geste Ruhe. »Der Schattenlord verlangt, dass wir weitermachen wie zuvor und seine Ankunft vorbereiten. Er hat Rimmzahn zu sich geholt, da dessen Aufgabe hier vollendet ist. Ein anderer wird nun an seiner Stelle die Befehle des Schattenlords an euch weitergeben.«
»Wer?«, fragte Anais.
Er hatte gedacht, das sei klar, deshalb war es ihm peinlich, das Wort zu sagen.
»Ich.«
Ein Raunen ging durch die Menge. Es klang nicht erfreut, nur überrascht und ein wenig enttäuscht. Frans räusperte sich. »Lasst uns singen!«
Die Gläubigen stimmten zögernd die Lobpreisung des Schattenlords an. Frans wandte sich von ihnen ab und nickte Gina zu. Sie trat heran.
»Ich will, dass die Hütte des Propheten rund um die Uhr bewacht wird. Niemand außer mir darf sie betreten, verstanden?«
Gina nickte. Er hatte erwartet, dass sie seinen Befehl sofort umsetzen würde, aber sie blieb stehen.
»Was ist denn noch?«, fragte er ungeduldig.
»Ich möchte nur wissen, was jetzt mit den Kindern ist.«
Er runzelte die Stirn. »Mit welchen Kindern?«
»Die, die im Dorf aufgetaucht sind. Ich dachte, du wüsstest
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