Gesang des Meeres - Feehan, C: Gesang des Meeres - Turbulent Sea (6 - Joley u. Ilya Prakenskii)
hieß, dass sich die Killertruppe bereits im Haus befand. Er lauschte, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wo sie alle waren und was hier geschah. Kurzes Stimmengemurmel. Schritte. Die Waffe, die Eddie aufgehoben hatte, war mit einem Schalldämpfer versehen, was darauf schließen ließ, dass die Killer ähnlich ausgerüstet waren. Sie wollten offenbar vermeiden, dass ihnen die örtliche Polizei einen Besuch abstattete. Das wäre auch ihm nicht lieb gewesen. Er bückte sich, um ein
Messer aus seinem Stiefel zu ziehen, gab Eddie ein Zeichen, jedes laute Geräusch zu vermeiden, und schlüpfte ins Haus.
Im Wohnzimmer war niemand. Das Fernsehgerät war noch angeschaltet, der regionale Nachrichtensender lief. Auf einem kleinen Beistelltisch neben dem Sofa stand ein halbvolles geschliffenes Kristallglas. Ein zweites Glas stand auf dem Couchtisch neben etlichen Zeitschriften. Nikitin war nicht allein gewesen, als die Eindringlinge ins Haus eingebrochen waren. Die geheime stumme Alarmanlage, die Ilja immer für Nikitin installierte, musste sich eingeschaltet und dem Russen Zeit gegeben haben, sich an den sicheren Ort zurückzuziehen, den sie immer mit großer Akribie herrichteten, wenn sie ein Haus bezogen, ganz gleich, ob es für eine Nacht war oder für zehn Nächte.
Mit seiner behandschuhten Hand hob Ilja das Glas und schnupperte daran. Cognac. Der richtig Gute. Er schüttelte den Kopf, als er das Glas wieder hinstellte. Nikitin trank nur mit einer einzigen Person Cognac – mit Brian Rigger, dem Leadgitarristen von Joleys Band. Sie würde absolut außer sich sein, wenn Brian das nicht lebend überstand. Der Teufel sollte ihn für seine Dummheit holen. Er war eindringlich gewarnt worden, sich von dem Mann fernzuhalten. Ein Teil von Ilja konnte ihn verstehen. Brian – und, nebenbei bemerkt, auch Nikitin – war genauso einsam gewesen wie Ilja bis vor kurzem, und er selbst war nicht in der Lage gewesen, sich von Joley fernzuhalten, obwohl er sie damit beide in Gefahr gebracht hatte. Aber die Tatsache, dass Brian sich hier aufhielt, stellte eine unerwartete Komplikation dar.
Er tat sein Bestes, um Brian zu schützen, indem er hastig die Fingerabdrücke von beiden Gläsern und von jeder glatten Oberfläche wischte, mit der Brian vermutlich in Berührung gekommen war. Mehr konnte er nicht tun, wenn seine Zeit knapp und der Feind so nah war.
Ilja begann vorsichtig durch den Flur zu laufen. Über seinem
Kopf konnte er Schritte hören – das Mordkommando durchsuchte die Räume im oberen Stockwerk. Eddie zog an seinem Ärmel und deutete die Treppe hinauf. Ilja schüttelte den Kopf. Kein anderer wurde jemals in Iljas Plan eingeweiht, Nikitin rauszuholen, falls es Ärger geben sollte. Wenn es einen Verräter gab, bestand nicht die Gefahr, dass er wissen würde, wo Nikitin sich aufhielt.
Im ersten Schlafzimmer lag ein Mann auf dem Rücken; aus seiner aufgeschlitzten Kehle rann Blut in den Teppich und seine Augen waren offen und blickten starr zur Decke auf. Ilja durchsuchte das Zimmer und wandte sich dem nächsten Zimmer zu. Es war das Billardzimmer. Vier von Nikitins Sicherheitskräften lagen tot da. Einer war mit einer Waffe in der Hand auf den Billardtisch gefallen; sein Hinterkopf war von einem Schuss weggesprengt worden. Ein Zweiter lag neben der gläsernen Schiebetür, als sei er davongerannt; da, wo er zu Boden gegangen war, lag wenige Zentimeter neben seiner Hand eine Waffe. Auf den dritten Mann war zuerst geschossen worden, ein Volltreffer, und er hatte den Schuss nicht kommen sehen. Er war gleich neben der Tür in sich zusammengesackt, und der Wein aus seinem Glas war gemeinsam mit seinem Blut in den Teppich gesickert. Umgeworfene Möbelstücke lieferten einen klaren Hinweis darauf, dass es dem vierten Mann gelungen war, sich zur Wehr zu setzen. Auf ihn waren etliche Schüsse abgegeben worden, und er lag etwa zwei Meter von dem Billardtisch entfernt.
Sie waren überrascht worden, und das bedeutete entweder, dass sie nicht gesehen hatten, wie das Blinklicht angegangen war, was Ilja schwer glauben konnte, oder dass es einen Verräter in ihren Reihen gab, was eher anzunehmen war. »Hast du eine Ahnung, wie viele Sicherheitskräfte wir heute hier hatten, Eddie?«
Hoffentlich hatte Nikitin seinen persönlichen Alarm losgehen sehen und Iljas Anweisungen exakt befolgt – dann wäre er
gegangen, ohne ein Wort zu sagen, und hätte sich versteckt. Das hätte ihm wahrscheinlich das Leben gerettet. Wenn der Verräter gewusst
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