Geschenke aus dem Paradies
nicht erzählte. Obwohl sie und Fleur eine innige und liebevolle Beziehung hatten, neigten ihre Kinder doch dazu, Nel vor Dingen zu schützen, die ihr Sorgen machen würden.
»Keine Kirschmarmelade. Wie wär’s mit Himbeere?«, sagte Nel schließlich, nachdem sie eine kleine Ansammlung von Gläsern zu Tage gefördert hatte, deren Inhalt unter einem Mikroskop sehr interessant ausgesehen hätte.
»Hauptsache, sie ist rot.« Fleur stand auf. »Bringst du mir die Croissants rüber, wenn sie fertig sind? Ich hole meine Schultasche.«
»Ich verwöhne dich, weißt du das?«
»Ich weiß. Aber du tust es doch gern.«
Als Fleur einige Zeit später den Aufsatz geschrieben, aber noch nicht abgetippt hatte, fuhr Nel sie zur Bushaltestelle.
»Du wirst den Bus zurück am Sonntag nicht verpassen, nein? Du darfst jetzt auf keinen Fall in der Schule fehlen.«
»Mum, habe ich jemals den Bus verpasst?«
»Noch nicht, ich will nur sicher gehen, dass du’s diesmal auch nicht tust. Ich mache mir ein bisschen Sorgen, weil du so viel mit Jamie zusammen bist, obwohl ich ihn noch nicht kenne.«
»Du würdest ihn mögen, Mum, wirklich. Das Problem ist nur, dass hier unten nichts los ist.«
Nel verkniff sich eine Erwähnung der wunderschönen Landschaft, die man durchstreifen konnte, der alten Gebäude, die es zu bewundern gab, und der allgemein wohltuenden Wirkung der Natur. Schließlich war noch Winter.
»Hm, frag ihn, ob er nicht mal zu uns kommen will. Es ist nicht in Ordnung, dass du immer den weiten Weg nach London machst. Er sollte mal ein paar Stunden im Bus sitzen und sein ganzes Taschengeld ausgeben!«
»Ich werd’s ihm vorschlagen, aber ich glaube nicht, dass er Lust hat, herzukommen. Es gibt hier unten keine guten Diskos.«
»Es gibt Diskos in Bristol!« Nel erinnerte sich nur allzu gut an ihre Unruhe, als ihre Söhne angefangen hatten, dort hinzugehen.
»Kein Vergleich mit denen in London. Jetzt mach dir mal keine Sorgen, Mum, ich komme schon klar. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
»Ich hatte eigentlich gehofft, dass Jamie auf dich aufpassen würde.«
»Mum! Du bist ja so was von altmodisch! Übrigens, was macht eigentlich dein Liebesleben?«
»Du meinst Simon?« Nel verstand ihre Tochter absichtlich falsch.
»Nein. Ich meine den Mann, der dich unter dem Mistelzweig geküsst hat.«
»Er ist nicht mein Liebesleben, er hat lediglich unter einer kurzfristigen Verirrung gelitten, und ich habe seither herausgefunden, dass er eine Ausgeburt der Hölle ist. Also, um wie viel Uhr fährt dein Bus?«
Erst auf dem Heimweg ging Nel auf, dass Fleur abermals das Thema gewechselt hatte, um ihre Mutter abzulenken. Sie beschloss, Sam an der Universität anzurufen, etwas, das sie nicht häufig tat.
»Hallo, Mum, was liegt an?«, sagte er, nachdem man ihn an den Apparat geholt und Nel gut fünf Minuten lang verschiedenen Musikstücken gelauscht hatte.
»Es geht um Fleur. Hast du sie in letzter Zeit mal gesehen? In London, meine ich?«
»Hm, sie und ich hören nicht die gleiche Musik, also nein, eher nicht.«
»Aber weißt du denn, welche Diskos sie und Jamie besuchen?«
»Eigentlich nicht. Warum?«
»Ich mache mir nur ein wenig Sorgen um sie. Irgendetwas stimmt da nicht. Ich habe Angst, dass sie vielleicht Drogen nimmt oder so etwas.«
»Oh Mum!«
»Es ist eine vollkommen legitime Sorge. Sie verbringt so viel Zeit in London, und ich bin Jamie noch nie begegnet.«
»Er ist vollkommen in Ordnung«, sagte Sam beschwichtigend.
»Bestimmt. Ich weiß bloß nichts über ihn, und du kennst mich doch, ich mache mir Sorgen.«
»Eine Disziplin, in der du olympiaverdächtige Leistungen aufweist, Mum.«
»Bisher hat mir niemand eine Medaille angeboten. Aber darum geht es nicht. Ich wollte dich bitten, ob du in Erfahrung bringen kannst, wohin sie und Jamie gehen. Und dann möchte ich wissen, ob es sich um die Art von Lokalen handelt, wo man Drogen bekommen kann.«
»Man kann überall Drogen bekommen.«
»Sag so was nicht! Aber manche Lokale sind doch bestimmt schlimmer als andere, meinst du nicht auch?«
»Wahrscheinlich. Wo wir gerade miteinander reden, Mum, du kannst mir nicht vielleicht einen Scheck schicken, oder? Ich habe die Stromrechnung bekommen, und sie ist riesig.«
Nel seufzte. »Geht in Ordnung.«
»Ich zahl’s dir in den Ferien zurück, wenn ich arbeite.«
»Kein Problem. Finde nur für mich heraus, wohin Fleur geht, ja?«
Im Allgemeinen vermied Nel es, mit Simon über irgendwelche Probleme mit ihren
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