Geschenke aus dem Paradies
und dem Wunsch, klarzustellen, dass sie sich nicht erpressen ließ.
»Es wäre nur fair, einen letzten Markt stattfinden zu lassen, finden Sie nicht auch?«, fuhr Nel fort. »Auf diese Weise hätten die Marktverkäufer die Gelegenheit, den Kunden zu sagen, wo sie ihre Produkte sonst noch kaufen können. Schließlich werden Sie nächsten Monat noch nicht hier leben? Wahrscheinlich nicht einmal im nächsten Jahr. Es würde Sie gar nicht betreffen.«
Kerry Anne seufzte. »Wahrscheinlich haben Sie Recht. Ich könnte mit Pierce darüber reden.«
Nel lächelte honigsüß. »Reden« und »befehlen« waren für Kerry Anne offensichtlich austauschbare Vokabeln. »Tun Sie das. Und dann können Sie sich, falls er einverstanden ist, bei mir melden, wenn ich Sie zu dem Haus bringen soll, in dem meine Freundin ihre Produkte herstellt. Man kann es nicht direkt als Fabrik bezeichnen. Ich denke wirklich, dass es Sie interessieren würde.«
Kerry Anne stöberte in ihrer Prada-Tasche und förderte eine Visitenkarte zu Tage. »Hier. Da steht meine Handy-Nummer drauf.«
Nel fand einen abgebrochenen Bleistift und eine zerknitterte Quittung in ihrer Tasche und notierte etwas darauf. »Und hier haben Sie meine Telefonnummer. Versuchen Sie, Pierce zu überreden, ja?«
»Wunderbar, vielen Dank.« Kerry Anne blickte in Nels Korb, in dem unter einigen Päckchen mit Binden die Zahnpasta und das Shampoo begraben waren. »Brauchen Sie all das Zeug immer noch?«
Nels Nackenhaare stellten sich auf. »Oh ja. Ich benutze es, um den Meditationsraum in meinem Haus zu isolieren, damit ich meine Urschreie üben kann.« Sie lächelte schief und ging weiter. Sie wusste nicht, ob die Ironie offensichtlich gewesen war; womöglich würde Kerry Anne sie jetzt nicht nur für uralt, sondern obendrein für eine Hexe halten. Das verflixte Frauenzimmer denkt wahrscheinlich, ich sei um die sechzig. Kein Wunder, dass sie meinte, ich hätte eine schöne Haut. Ich wünschte, ich wäre eine Hexe. Ich würde ihr die Cellulitis auf den Leib hexen.
Als sie etwa zur gleichen Zeit wie Kerry Anne auf die Straße trat, sah Nel zu ihrer Verlegenheit Jake Demerand vor sich. Warum um alles in der Welt tauchte er überall auf, wo sie sich gerade befand? Sie wurde den Mann einfach nicht los. Ärgerlicher noch war die Tatsache, dass er die beiden Frauen entdeckt hatte. Angenommen, Kerry Anne erzählte ihm, was sie gesagt hatte? Dann würde auch er sie für ein verrücktes altes Weib halten.
»Oh, Sie beide haben nähere Bekanntschaft geschlossen?«, fragte er, ein wenig überrascht, aber erfreut.
»Oh ja, Nel will mich zu einem Haus bringen, wo jemand seine eigenen Schönheitsprodukte herstellt. Der Gedanke gefällt mir. Übrigens, nochmal vielen Dank für den Abend, Jake. Ich habe mich großartig amüsiert.«
Jake nahm diese Bemerkung freundlich zur Kenntnis, und Nel verspürte plötzlich eine leise Übelkeit.
»Also, ich muss weiter«, sagte Nel, ohne Jake anzusehen. »Hab noch viel zu tun.«
»Sie bringen mich zu Ihrer Freundin, ja?«, sagte Kerry Anne.
»Wenn Sie es wirklich wollen. Rufen Sie mich an. Jetzt muss ich aber wirklich weiter!« Am unteren Ende der Hauptstraße wäre sie um ein Haar mit Simon zusammengestoßen.
»Nel! Hallo! Du siehst ja so ...«
»Was?«, fuhr Nel ihn mit ungewohnter Gereiztheit an. »Wie sehe ich denn aus?«
»Hübsch, finde ich. Du siehst hübsch aus.«
Nel lächelte warm, tätschelte Simons Mantel und ging weiter. »Tut mir Leid, ich hab’s eilig«, rief sie, während sie bereits weiterlief. »Ich muss mit Fleur reden. Wir sehen uns heute Abend.«
Als sie nur zehn Minuten nach Ablauf ihres Parkscheins bei ihrem Wagen ankam, ging ihr plötzlich auf, dass Simon noch nie gesagt hatte, sie sei hübsch. Was um alles in der Welt war über ihn gekommen? Warum sagte er es jetzt?
Kapitel 5
F leur saß am Küchentisch, einen Becher Tee vor sich, die Ellbogen aufgestützt.
»Hallo, Liebes«, sagte Nel, als sie durch die Gartentür eintrat. »Hast du schon gefrühstückt? Ich habe Croissants mitgebracht.«
Als ganz junge Mutter hatte Nel den Vorsatz gefasst, an jedem Tag zuerst etwas Positives zu ihren Kindern zu sagen. Obwohl es ihr manchmal sehr schwer gefallen war, vor allem wenn die Jungen sich weigerten, rechtzeitig zur Schule aufzustehen, bedeutete es doch, dass die Streitereien erst gut zehn Minuten später begannen. Fleur war über Weihnachten eindeutig ein wenig schreckhaft gewesen, aber da jedes ihrer Kinder Freunde mit nach
Weitere Kostenlose Bücher