Geschenke aus dem Paradies
müsste Genaueres wissen.«
»Es geht nicht nur darum, dass alles für die Katz wäre, was wir getan haben, damit die Kinder Zugang zum Fluss erhalten«, sagte Vivian zu Fleur. »Das Gebiet ist außerdem sehr wichtig für die Pflanzen und Tiere dort. Ich kann einfach nicht glauben, dass jemand ein Bauvorhaben auf dem Gelände plant, ohne dass irgendeiner von uns es gewusst hat. Weiß Gott, wie viele Lebewesen ihre angestammte Heimat einbüßen würden, wenn die Sache durchginge.«
Obwohl Nel Vivian nun so lange kannte, überraschte sie sie immer wieder. Sie vereinte schillernde Eleganz mit einer echten Liebe für bodenständige Aktivitäten wie Bienenzucht, ausgedehnte Spaziergänge und Vogelbeobachtungen auf entlegenen Inseln. Weil sie überhaupt nicht so aussah, als beschäftige sie sich mit etwas Schmutzigerem als Einkaufsbummeln, vergaß man leicht ihre Reisen nach Galapagos, ihre Märsche durch den Regenwald und die Urlaube, die sie dem Naturschutz widmete.
»Ist dir aufgefallen, dass wir einfach davon ausgehen, dass dem Hospiz das Land doch nicht gehört?«, bemerkte Nel. »Was meinst du, woran liegt das?«
Vivian zuckte die Achseln. »Es liegt daran, dass diese Verwaltungsleute im Endeffekt immer Recht haben. Die Bank macht niemals einen Fehler; man hat sein Konto immer überzogen. Hast du etwas dagegen, wenn ich den Teekessel aufsetze?«
»Nein, ich hätte liebend gern eine Tasse Tee, aber ich wünschte doch, ihr zwei würdet aufhören, zu naschen. Die Reste könnt ihr meinetwegen gern essen, aber das war ein absolut tadelloser Schneemann, den du dir gerade in den Mund gesteckt hast, Fleur.«
»Übrigens, wie läuft deine Diät, Mum?«, fragte Fleur, die Zuckerguss und Feuchtwiesen gleichermaßen langweilig fand. Sie griff nach einem Gerät, das Nel noch nie zuvor gesehen hatte, und machte sich daran, ihr Haar damit zu glätten. In Kürze würde sie mit dem Bus nach London fahren. Da sie wusste, dass ihre Mutter sich deswegen Sorgen machte, verbrachte sie pro forma ein wenig Zeit mit ihr und Vivian, bevor sie aufbrach.
»Sie läuft nicht, sie steht. Ich nehme ein wenig ab, nehme ein wenig zu und wiege am Ende dasselbe.«
»Ich verstehe nicht, warum du dir überhaupt die Mühe machst«, sagte Vivian. Groß und gut gebaut, mit tadellosem Teint und blitzenden grünen Augen, konnte sie essen, was sie wollte.
»Du hast gut reden, du kannst es dir leisten, nicht darüber nachzudenken, was du dir in den Mund stopfst. Was ein Glück ist«, fuhr Nel fort, »wenn man bedenkt, wie viel Zucker du gegessen hast.«
»Aber du bist entzückend, Nel. Findest du nicht auch, Fleur?«
»Hmhm. Kuschelig und mamahaft.«
Nel, der diese Attribute nicht besonders gefielen, sagte: »Wenn ich einsfünfundneunzig groß wäre, wäre an meinem Gewicht nicht das Geringste auszusetzen. Leider oder vielleicht sogar glücklicherweise bin ich es nicht. Außerdem geht es in erster Linie um Selbstachtung und darum, dass man einen gewissen Standard wahrt.«
»Es ist Simon, nicht wahr?«, hakte Vivian nach. »Weil er so mager ist, denkt er, du solltest es ebenfalls sein.«
Nel errötete. »Nein, ich tue das für mich!« Sie wollte das Thema Simon nach Möglichkeit umgehen.
»Hast du denn Cellulitis?«, fragte Fleur. Sie hatte von ihrem Haar abgelassen und strich sich jetzt über die Hüften ihrer Hose. »Du weißt schon, Orangenhaut?«
»Ich weiß, was Cellulitis ist, Fleur, und ich glaube nicht, dass Orangenhaut die richtige Bezeichnung dafür ist.«
»Wie meinst du das?«, fragten Fleur und Vivian wie aus einem Mund.
Nel dachte nach. »Hm, es ist eher, sagen wir – stell dir vor, du hättest einen Eiskugelstecher und würdest Fladen von Kartoffelpüree oben auf meine Schenkel klatschen. Das dürfte dir eine gewisse Vorstellung davon geben, worüber wir hier reden. Orangenhaut ist einfach eine Beschönigung.«
Es folgte entsetztes Schweigen, dann inspizierten Nels Tochter und ihre Freundin beide Nels hosenbetuchtes Bein, um zu überprüfen, ob Nel die Wahrheit sagte. Nel neigte ein klein wenig zu Übertreibungen.
»Was ist mit deinem Hintern?«, wollte Fleur wissen.
»Eine der kleinen Gnaden im Leben«, sagte Nel, »ist die, dass ich meinen Hintern nicht sehen kann. Ich vermute, der ist ebenfalls mit Klecksen von Kartoffelpüree bedeckt.«
Vivian, die nichts Unziemliches unter Nels schwarzer Röhrenjeans entdeckt hatte, schüttelte den Kopf. »Was sagt denn Simon dazu? Meiner Erfahrung nach stehen nur Pädophile und Schwule
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