Geschenke für den Kommissar - Kriminalroman
Abgang.
„Nicht so eilig“, hielt ihn die missmutige Stimme des blonden Polizisten zurück. „Wir müssen erst noch ein Protokoll aufnehmen.“ Der kleine Beamte grinste niederträchtig. „So viel Zeit muss sein.“
Eine dreiviertel Stunde später knatterte Karlo wütend mit der leicht verbeulten MZ in Richtung Dietzenbach.
Montag, 25. Juni
Dietzenbach
9
„Das ist mal wieder ein typischer Karlo“, lachte Herbert Reinfeld und kratzte sich dabei linkisch am Kopf. Allerdings war es ein resigniertes, fast schon verzweifeltes Lachen. Alles, was Karlo anpackte, wurde kompliziert. Wirre Geschichten nahmen ihren Lauf und unglaubliche Zufälle ereigneten sich. Zufälle, an die Reinfeld einfach nicht mehr glauben wollte.
Hellwach erriet Karlo die Gedanken seines Freundes. Was in diesem speziellen Fall auch nicht allzu schwer war. „Was hätte ich denn machen sollen? Hätte ich einfach zusehen sollen, wie eine alte Frau überfallen wird? Was hättest du denn getan?“
„Ist ja gut. Du hast ja recht. Klar, ich hätte natürlich genau das Gleiche gemacht. Ich meine nur, du – ach, was, hol’s der Teufel!“, brach er ärgerlich ab. „Wir haben zu tun. Zuerst kannst du ein paar Sachen zu einem Kunden bringen. Nimm unseren Bus, wir haben schon alles eingeladen. Das sind neuartige Präzisionsteile für spezielle Implantate. Die bringst du zur Firma Berwald nach Langen. Melde dich am Empfang bei Frau Giebitz. Ach, vielleicht kennst du sie ja. Sie kommt auch aus Fechenheim. Frau Giebitz ruft dir jemand, der dir sagt, wo die Sachen hinmüssen. Danach kommst du wieder her und schaust dir das alte Büro im ersten Stock an. Das wollen wir umbauen und – egal, das können wir ja nachher besprechen. Bring erst mal die Teile für Berwald weg.“
„Alles klar. Die Schlüssel für den Bus?“
„Am Brett, wie immer.“
„Dann bis nachher.“
„Bis nachher. Und lass dich nicht wieder verhaften.“
„Super-Witz, Herbert, ein Super-Witz.“
Als Karlo den Empfangsraum der Firma Berwald betrat, stellte sich tatsächlich heraus, dass er Frau Giebitz kannte. Allerdings nur vom Sehen, wie er sogleich bedauernd feststellte. Sie war ihm schon öfter in Fechenheim auf der Straße oder auch beim Einkaufen aufgefallen. Karlo war daher bekannt, dass Marianne Giebitz eine durchaus attraktive Frau war, etwas älter zwar, doch immerhin überaus reizvoll mit ihren kurzgeschnittenen schwarzen Haaren. Ihr Puppengesicht wäre Karlo normalerweise etwas zu ebenmäßig, zu symmetrisch gewesen, einfach zu schön im klassischen Sinne, wäre da nicht dieser wunderbar ordinäre, leicht spöttische Ausdruck um ihre vollen Lippen gewesen.
Karlos Aufmerksamkeit wanderte von den Tiefen ihrer blaugrauen Augen flüchtig hinab zu ihren kleinen frechen Brüsten und verfing sich schließlich erneut im leuchtend-klaren Umfeld ihrer magischen Pupillen, und er öffnete seine private Charme-Schatulle.
„Hallo, schöne Frau“, flötete er, deutete eine Verbeugung an und vollführte eine ergebene Geste mit der Hand. „Die Firma Reinfeld ist da. Ich habe eine Lieferung für Sie. Bedauerlicherweise keine Blumen, was ein Versäumnis ist, wie ich gestehen muss, lediglich einige profane Präzisionsteile aus Metall. Aber diese selbstverständlich in bekannter Rein-feld-Qualität.“
Uff! Die Sekretärin schaute Karlo skeptisch, aber auch ein wenig amüsiert an. Was war denn das für eine Ansage? Andererseits war dieser schräge Vogel da vor dem Tresen eine willkommene Abwechslung im immer gleichen Trott des Firmenalltags. Und er sah gar nicht mal so schlecht aus. Sie schaltete um auf neckische Katze und blitzte Karlo schalkhaft, mit leicht ausgefahrenen Krallen, an.
Die passende Erwiderung auf Karlos unverblümte, wenn auch sehr geschraubte Anmache blieb ihr im Hals stecken, denn im gleichen Moment hörte man laute Stimmen. Sehr laute Stimmen. Anscheinend waren es zwei Männer, die sich im Zimmer hinter dem Empfangstresen anschrien. Karlo konnte nicht verstehen, um was es ging, doch es war bestimmt kein Spaß.
„Mein lieber Mann, bei euch ist ja Stimmung in der Bude.“ Karlo versuchte scherzhaft zu klingen. Doch das war ihm schon besser gelungen, bemerkte er sofort.
„Das ist überhaupt nicht lustig“, entfuhr es Frau Giebitz ruppiger als beabsichtigt. Ihre Stimme klang jedoch angenehm dunkel und etwas rauchig. „Es ist einfach schrecklich“, wurde ihr Ton dann etwas milder. „Das geht hier fast jeden Tag so in der letzten Zeit. Seit Frau Berwald
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